Ana Boata, Europa-Ökonomin bei Euler Hermes, merkte dazu an: „Das Ergebnis der Parlamentswahlen hat das Risiko eines harten Brexit etwas gemindert. Es unterstützt unsere Sichtweise, dass eine Übergangsregelung das wahrscheinlichste Szenario ist und am Ende der Verhandlungen ein beschränktes Freihandelsabkommen stehen wird. Kurzfristig gesehen könnte die durch das Wahlergebnis hervorgebrachte Unsicherheit auf politischer Ebene für finanzielle Instabilität und weitere Kursschwankungen des britischen Pfunds sorgen, die mittlerweile zum Sinnbild der angespannten Marktlage durch den Brexit geworden sind.“
Der Überblick von Euler Hermes zur wirtschaftlichen Lage in Großbritannien, „The Taming Of The Brexit“, prognostiziert verschiedene mögliche Szenarien. Im schlimmsten Fall, nämlich wenn das Land nach Ende der zweijährigen Verhandlungsphase 2019 die EU unter den Bedingungen der Welthandelsorganisation (WTO) verlässt, könnten 3.300 weitere britische Unternehmen vor dem Bankrott stehen. Dieser Anstieg von 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahr würde die Gesamtanzahl der Insolvenzen auf 25.100 Unternehmen erhöhen.
Die Autoren des Berichts gehen allerdings auch davon aus, dass die Unterzeichnung eines solchen Abkommens mit der EU bis März 2019 die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen des Austritts aus der EU wesentlich abschwächen würde. Die Insolvenzrate könnte nach einem Zuwachs um 5 bzw. 6 Prozent in den Jahren 2017 und 2018 dann um lediglich 3 Prozent steigen (weniger als 1.000 zusätzliche Unternehmensbankrotte). Der Bericht sagt auch einen Rückgang der Investitionen aus dem Ausland um 2,5 Prozent voraus. Bei den realen Ausfuhren geht man für 2019 von einem fortgesetzten Wachstum um 1,6 Prozent aus. Angesichts der Abwertung des Pfunds und der Abhängigkeit britischer Unternehmen von importierten Waren wäre dies ein positives, wenn auch eher schwaches Ergebnis.
Einigt man sich nicht auf ein Übergangsabkommen, könnten sich die Verluste bei den Ausfuhren 2019 auf 30 Mrd. Pfund für Waren und 36 Mrd. Pfund für Dienstleistungen belaufen. Laut der Analyse von Euler Hermes würde dies einen effektiven Verlust von sechs Prozent bei den Gesamtausfuhren im Vergleich zum Vorjahr bedeuten. Der Bericht sagt außerdem voraus, dass die Summe an ausländischen Investitionen in britische Unternehmen um 8 Prozent fallen würde.
Ana Boata fügte hinzu: „Auf lange Sicht steht Großbritannien eindeutig schlechter da, wenn der Zugang zum Binnenmarkt beschränkt wird. Steigende Finanzierungskosten, Divestment, ein erheblicher Exportrückgang und eine weitere Abwertung des Pfunds werden den Druck auf Zahlungsbedingungen, Umsätze und Gewinnmargen für britische Unternehmen erhöhen.“
„Es dürfte für Großbritannien und die EU fast unmöglich sein, innerhalb der nächsten zwei Jahre neben dem Abschluss des EU-Austritts auch noch ein Freihandelsabkommen zu finalisieren und zu ratifizieren. Daher muss sich die neue Regierung zum Ziel setzen, zu einer Übergangsregelung zu kommen. Durch die Vermeidung rechtlicher Unsicherheiten und die Beibehaltung der bestehenden Handelsabkommen mit der EU in unveränderter Form würde die britische Wirtschaft für die Dauer der Übergangsregelung gewappnet sein. So bleibt mehr Zeit zum Aushandeln eines positiven Ergebnisses im Hinblick auf die nächste Handelspartnerschaft. Unserer Meinung nach wird dies auf Zölle auf ausgewählte Waren mit durchschnittlichen Zollgebühren von 2 bis 3 Prozent sowie zusätzliche Kosten für den Dienstleistungssektor hinauslaufen.“
Euler Hermes erwartet laut dem Bericht bei einem Brexit ohne Übergangsregelung (also zu WTO-Bedingungen), dass ab 2019 in Großbritannien eine Rezession eintritt, bei der das BIP um 1,2 Prozent schrumpfen dürfte und die das Land frühestens nach drei Jahren wieder hinter sich lassen würde. Auch mit einem Übergangsabkommen sei zwar eine Abschwächung zu erwarten, die Wirtschaft würde aber weiter um 0,9 Prozent wachsen.