Kinderreichtum in der Stadt?

Allianz.com: Demografen haben Städten lange Zeit eine niedrige Geburtenrate zugeschrieben. Länder neigen im Laufe ihrer Entwicklung zu einer Urbanisierung und werden reicher. Mit der Verstädterung sinkt dann auch die Geburtenrate. Neueste Studien von International Pensions zeigen jedoch, dass Städte doch keine so niedrige Geburtenrate verzeichnen, wie einst angenommen – zumindest nicht in Industrieländern.
 

Brigitte Miksa: Das ist richtig. Wir haben uns 41 Großstädte in Europa und den Vereinigten Staaten angesehen, in denen mehr als 1 Millionen Menschen leben. Angefangen bei New York City bis hin zu Valletta, der Hauptstadt von Malta. Dabei haben wir festgestellt , dass besagte Städte im Durchschnitt eine um sieben Prozent höhere Geburtenrate verzeichnen, als der Rest ihres Landes. Dieser Trend ist international: Lissabon verzeichnet eine um 50 Prozent höhere Geburtenrate als Portugal, in Bratislava ist sie um 31 Prozent höher als im Rest der Slowakei und in Birmingham liegt die Geburtenrate um 17 Prozent über dem Durchschnitt des Vereinigten Königreichs. Auch amerikanische Städte liefern überraschende Zahlen. In Dallas war die angepasste Geburtenrate im Vergleich zum nationalen Durchschnitt um 17 Prozent und in New York um 5 Prozent höher.


 

Waren Sie von diesen Ergebnissen überrascht?
 

Ja. Aber noch überraschender war, wo die Ergebnisse herkamen. Es wird oft angenommen, dass Städte die Geburtenrate negativ beeinflussen, da die Kosten für die Kindererziehung dort höher sind. Aber einige der Städte mit den höchsten Lebenshaltungs- und Wohnungskosten verzeichnen sogar eine übermäßig hohe Geburtenrate. New York ist eine der teuersten Städte der Welt. In London – wo die Grundstückspreise jede Stunde um 7,5 USD (5 GPB) steigen – bekommen Frauen acht Prozent mehr Babys als im nationalen Durchschnitt. Eine Erklärung könnte eine Veränderung der persönlichen Einstellung sein. In ihrer emotionsarmen, pragmatischen Sprache bezeichneten Wirtschaftswissenschafter Kinder als „Waren minderen Werts“: genauso, wie die Nachfrage nach Kartoffeln mit steigendem Einkommen sinkt, ist es auch mit der Nachfrage nach Kindern. Diese Haltung scheint sich aber bei reichen Stadtbewohnern zu verändern. Es ist also möglich, dass Kinder nicht mehr nur als „normale Waren“ betrachtet werden, sondern sogar als Statussymbol. Schließlich gibt es keine bessere Möglichkeit zu zeigen, dass man es geschafft hat, als sich in Manhattan oder London fünf Kinder zu leisten . Oder sogar sechs Kinder, wie im Fall von Angelina Jolie und Brad Pitt. Experten nennen dies den „Brangelina-Effekt“. Kinder dienen immer mehr als Statussymbole. Ihre Eltern zeigen gern, dass sie sich mehrere leisten können.


 

Sind Städte also die Antwort auf die demografische Alterung der Industrieländer?
 

Von den an der Studie beteiligten Städten verzeichnen lediglich Dallas und Birmingham eine Geburtenrate von 2,1 Kindern pro Frau. Diese Zahl gilt als Minimum dafür, dass sich eine Generation ohne Zuwanderung ersetzen kann. Fünf andere Städte verzeichnen eine Geburtenrate, die knapp unter dieser Ersatz-Quote liegt. Das bedeutet, dass der Kinderreichtum in Städten nicht die Lösung für alternde Gesellschaften darstellt, auch wenn er demografisch ein Plus bedeutet. Dies gilt insbesondere für Europa. Dort verfügt kein Land über eine Geburtenrate auf Ersatz-Niveau. Die Länder müssen andere Wege finden, um ihre Bevölkerungszahlen, Wirtschaft, öffentlichen Dienstleistungen und Rentensysteme aufrechtzuerhalten. Städte, die eine gute Work-Life-Balance sowie ein flexibles, stabiles Arbeitsumfeld bieten, könnten ein Teil der Lösung sein. Dies gilt insbesondere für arbeitende Mütter. Wenn so ein Zustand erreicht wird, könnte es auch andere Erwachsene zur Elternschaft ermutigen und die Straßen in den Städten werden nicht so arm an spielenden Kindern sein, wie einst befürchtet wurde.

Brigitte Miksa, Head of International Pensions
Brigitte Miksa, Head of International Pensions

Diese Aussagen stehen, wie immer, unter unserem Vorbehalt bei Zukunftsaussagen:

 

Petra Brandes
Allianz SE
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