Schiffsverluste erreichen 10-Jahres-Tief, aber Mega-Schiffe und Cyberangriffe stellen die Seeschifffahrt vor neue Risiken

Der langfristige Abwärtstrend bei den Schiffsverlusten hat sich 2014 mit 75 gemeldeten Großschäden weltweit fortgesetzt. Damit war das vergangene Jahr das sicherste Jahr für die Schifffahrt seit zehn Jahren, so das Ergebnis der dritten, jährlich von Allianz Global Corporate & Specialty SE (AGCS) veröffentlichten „Safety and Shipping Review 2015“. Die Studie analysiert die gemeldeten Schäden bei Schiffen von über 100 Bruttoregistertonnen.

 

Die Verluste gingen im Vergleich zum Vorjahr um 32 Prozent zurück und lagen deutlich unter dem Durchschnittswert der vergangenen zehn Jahre (127 Fälle). Seit 2005 sind die weltweiten Schiffsverluste um mehr als 50 Prozent gesunken. Dem Bericht zufolge konzentrierten sich mehr als ein Drittel der Totalverluste 2014 auf zwei Regionen: die Meere um Südchina, Indochina, Indonesien und die Philippinen (17 Schiffe) sowie die Gewässer Japans, Koreas und Nordchinas (12 Schiffe). Auf Fracht- und Fischereischiffe entfielen zusammen über 50 Prozent aller Verluste.

 

Die häufigste Ursache von Totalverlusten in der Schifffahrt ist mit 65 Prozent Schiffsuntergang (49 Schiffe). Auf Grund laufen (13 Schiffe) sowie Brände/Explosionen (4 Schiffe) waren weitere wichtige Ursachen, im Vergleich zum Vorjahr waren diese jedoch deutlich rückläufig.

 

Nach Angaben der Studie wurden 2014 weltweit insgesamt 2.772 Schiffsunglücke gemeldet (einschließlich der Totalverluste). Die Gebiete östliches Mittelmeer und Schwarzes Meer zeigten sich dabei mit 490 Vorfällen als der aktuelle Unfall-Hotspot (plus 5 Prozent gegenüber 2012). Die Britischen Inseln, die Nordsee, der Ärmelkanal und der Golf von Biskaya lagen mit 465 Schiffsunglücken an zweiter Stelle (plus 29 Prozent). Dort ereigneten sich im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre die meisten Unfälle. Auf der Nordhalbkugel passieren im Dezember die meisten Unfälle, auf der Südhalbkugel im August. Auf einen Totalverlust auf der Südhalbkugel kommen sieben Totalverluste in der nördlichen Hemisphäre.

 

Ein Schiff in der Region der Großen Seen in Nordamerika kann den Titel des größten Unglücksschiffs für sich beanspruchen: Berichten zufolge war es in den vergangenen acht Jahren an insgesamt 19 Unglücken beteiligt – davon allein sechs in einem Jahr. Es überstand bereits ein Feuer, einen Motorschaden, einen Ruderausfall und einen Zusammenstoß mit einem schwimmenden Baumstamm.

 

Sicherheit auf Passagierschiffen

 

Während der langfristige Abwärtstrend bei den Schiffsverlusten zuversichtlich stimmt, haben aktuelle Fährunglücke wie die der Sewol und der Norman Atlantic drei Jahre nach der Costa-Concordia-Katastrophe erneut erhebliche Bedenken bezüglich der Qualität von Trainings- und Notfallmaßnahmen auf Passagierschiffen ausgelöst. 2014 wurden sieben Totalverluste von Passagierschiffen gemeldet, knapp 10 Prozent der Gesamtverluste. „In vielen Fällen ist die Konstruktion der Schiffe nicht der einzige Schwachpunkt. Die beiden Fährunglücke decken besorgniserregende Defizite bei der Notfallvorbereitung der Besatzungen von Autofähren und Passagierschiffen auf“, sagt Sven Gerhard, Global Product Leader Hull & Marine Liabilities, AGCS.

 

Den generellen Trend zu kleineren Besatzungen beurteilt die Studie mit Blick auf die Sicherheit kritisch. Weniger Personal müsse deutlich mehr leisten. Eine nur Minimalanforderungen genügende Personalstärke lässt nach Ansicht der AGCS-Experten kaum Spielraum für Schulungen an Bord und sollte daher nicht zur allgegenwärtigen Praxis auf Schiffen werden.

Allianz Global Corporate & Specialty, der Industrieversicherer der Allianz Gruppe, hat seinen jährlichen Bericht zur Schiffssicherheit veröffentlicht.
Allianz Global Corporate & Specialty, der Industrieversicherer der Allianz Gruppe, hat seinen jährlichen Bericht zur Schiffssicherheit veröffentlicht.
Das bisher größte Containerschiff, die MSC Oscar, lief im Januar 2015 mit einer Kapazität von 19.224 teu (Twenty-foot Equivalent Unit) vom Stapel. Das entspricht einer Länge von vier Fußballfeldern.

Das bisher größte Containerschiff, die MSC Oscar, lief im Januar 2015 mit einer Kapazität von 19.224 TEU (Twenty-foot Equivalent Unit) vom Stapel. Das entspricht einer Länge von vier Fußballfeldern.

Wie groß ist zu groß?

Auch die Sicherheit von Frachtschiffen rückt mit immer größeren Schiffen in den Blickpunkt, wie der Stapellauf des bislang größten Containerschiffs zeigt, der MSC Oscar mit einer Kapazität von 19.224 TEU. Mit einer Länge von vier Fußballfeldern kann der Ozean-Riese 19.000 Standardcontainer transportieren. Dieser Trend zu immer größeren Kapazitäten dürfte sich weiter fortsetzen, so dass bald mit Schiffen mit einer Kapazität von bis zu 22.000 TEU zu rechnen ist. „Größere Schiffe bedeuten auch potenziell größere Schäden. Die Branche sollte sich für die Zukunft auf Großschäden von über 1 Mrd. US-Dollar einstellen, insbesondere wenn große Containerschiffe oder schwimmende Offshore-Anlagen beteiligt sind“, sagt Sven Gerhard. Das maximale Risiko in diesem Zusammenhang betrifft nicht nur die Schäden an Schiff und Fracht, sondern kann auch Umweltschäden oder Betriebsunterbrechungen umfassen. Grundsätzlich stelle sich die Frage, so die AGCS-Experten, ob nach einer Kapazitätssteigerung von mehr als 80 Prozent innerhalb von zehn Jahren das Risikomanagement nicht neu überdacht werden müsse.

AGCS sieht für Mega-Schiffe eine Reihe neuer Risiken. So können diese nur wenige Tiefwasserhäfen ansteuern, was eine Konzentration der Risiken bedeutet. Zudem besteht weltweit ein Mangel an qualifizierten Fachkräften. Die Bergung und Beseitigung von Schiffen ist ebenfalls eine Herausforderung. Wie die Bergung des Wracks der Costa Concordia zeigt, können die Kosten leicht ein Vielfaches des Kaskowerts betragen. „Die Schifffahrtindustrie sollte lange und gründlich nachdenken, bevor sie den Sprung zur nächstgrößeren Schiffsgröße wagt“, so Kapitän Rahul Khanna, Global Head of Marine Risk Consulting, AGCS.

 

Häfen und Schiffe werden zum Ziel von Hackern

Cyberrisiken sind eine weitere neue Gefahr für die Schifffahrtindustrie, die stark vernetzt ist und in ihrem Betrieb zunehmend auf Automatisierung setzt. „Cyberrisiken mögen in dieser Branche noch ganz am Anfang stehen, künftig könnten Schiffe und Häfen jedoch zu verlockenden Zielen für Hacker werden. Unternehmen müssen mögliche Szenarien simulieren und geeignete Maßnahmen zur Risikominderung identifizieren“, sagt Khanna. „Ein Cyberangriff auf die Technik an Bord, insbesondere auf die elektronischen Navigationssysteme, könnte zu einem Totalverlust führen oder sogar mehrere Schiffe einer Reederei betreffen“, ergänzt Gerhard. Andere Szenarien sind zum Beispiel Cyberangriffe auf große Häfen, die Terminals außer Betrieb setzen oder Containerladungen oder vertrauliche Daten manipulieren. Solche Angriffe könnten zu erheblichen Betriebsunterbrechungsschäden oder zu Reputationsverlusten führen.

 

Polarkodex willkommen, jedoch laufende Weiterentwicklung nötig

Die Schifffahrtindustrie begrüßt die Einführung des “Polar Code“, der die Sicherheit der zunehmenden Schifffahrt in Arktis und Antarktis regelt. Im Jahr 2014 wurden in arktischen Gewässern 55 Schiffsunfälle gemeldet, darunter ein Totalverlust. 2005 waren es nur drei Unglücke. Während der Kodex viele Sicherheitsthemen behandelt, bleiben noch Fragen offen, insbesondere bezüglich der Schulung von Besatzungen, der Tauglichkeit von Schiffen sowie der Beseitigung potenzieller Verschmutzungen. Der Polarkodex bedarf einer regelmäßigen Weiterentwicklung. Alle etwaigen Transportprobleme und Best-Practice-Beispiele sollten zum Ende jeder Saison beschrieben und festgehalten werden.

Weitere Schifffahrtsrisiken aus der “Safety and Shipping Review 2015”:

 

  • „Blindes“ Vertrauen auf elektronische Navigation: Die Kollision des Containerschiffs Rickmers Dubai mit einem unbemannten Kranschiff im Jahr 2014 zeigt die Gefahren von automatisierter E-Navigation auf. Schulungsstandards für Systeme wie das Electronic Chart Display & Information System (ECDIS) sind uneinheitlich. „Offiziere benötigen eine solide Ausbildung, um Fehlinterpretationen von ECDIS und Bedienfehler zu vermeiden, die zu teuren Katastrophen führen können. Darüber hinaus sind manuelle Navigationsinstrumente und -fähigkeiten weiterhin unverzichtbar“, so Khanna.

  • Geopolitische Spannungen und Kriege haben im vergangenen Jahr zugenommen und ziehen auch die Schifffahrt in Mitleidenschaft. Die Zunahme von Menschenhandel und Flüchtlingsströmen über das Meer schafft neue Herausforderungen für Such- und Rettungsaktionen. Mehr als 207.000 Flüchtlinge sind im Jahr 2014 vor dem Bürgerkrieg in Syrien über das Mittelmeer geflohen. Die Internationale Schifffahrts-Organisation schätzt, dass 2014 mindestens 600 Handelsschiffe umgeleitet wurden, um Flüchtlinge zu retten; dies belastet jenseits der humanitären Katastrophe die vorhandenen Ressourcen sowie die Rettungsinfrastruktur. Zudem verstärken die politische Konflikte den Druck auf die Lieferketten, weil gewisse Routen eingeschränkt sind. Schiffsbetreiber sollten die damit verbundenen Sicherheitsrisiken nicht unterschätzen.

  • Piraterierisiken verlagern sich von Afrika nach Asien: Zwar hat die Bekämpfung der Piraterie in Somalia und dem Golf von Guinea gute Fortschritte macht, so dass die Piratenangriffe weltweit im vierten Jahr in Folge gesunken sind (2014: 245 Angriffe laut International Maritime Bureau). Jedoch blüht die Piraterie in anderen Regionen. Angriffe in südostasiatischen Gewässern haben im Vorjahresvergleich zugenommen, gleiches gilt für Gewässer des indischen Subkontinents mit Bangladesch als neuem Schwerpunkt.

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