"Extrem harter Wettbewerb" in China

Nicht alle Blütenträume westlicher Manager haben sich in China erfüllt, doch vielen gilt das Land weiterhin als Markt der Zukunft. Uwe Michel, Chef des Unternehmensbereichs Asien (Insurance Growth Markets Asia) spricht über die Strategie der Allianz im Reich der Mitte.

 

Herr Michel, unter Ihrer Leitung ist vor kurzem die Initiative „One Allianz in China“ angelaufen. Was ist der Hintergrund?

 

Uwe Michel: Wir möchten uns in der chinesischen Öffentlichkeit stärker als Unternehmen präsentieren, das sämtliche Facetten an Finanzdienstleistungen aus einer Hand bieten kann. Wir verfügen in China über zehn Einheiten, von Euler Hermes über Allianz Global Assistance bis zu Pimco. Keiner der ausländischen Wettbewerber hat eine so breite Produktpalette zu bieten. Das muss in der Außendarstellung deutlicher werden. Bislang haben die Einheiten weitgehend ohne Bezug zueinander operiert. Sinn unserer Initiative ist es, mehr profitables Geschäft zu erwirtschaften, und der Schlüssel dazu ist verstärkte Kooperation und abgestimmtes Handeln bei der Kundenansprache. Wir wollen, dass die Allianz in China zum Synonym für finanzielle Solidität wird. So wie Mercedes für Solidität beim Autobau steht.

 

 

Westliche Unternehmen klagen über den schwierigen Marktzugang. Mit welchen Hürden hat die Allianz in China zu kämpfen?

 

Zum einen ist das sicher der extrem harte Wettbewerb. Die früheren Staatsversicherer sind weiterhin die marktbeherrschenden Kräfte. Zum anderen gibt es regulatorische Beschränkungen. Der Anteil ausländischer Anbieter am Lebensversicherungsmarkt beträgt 4,8 Prozent, im Sachgeschäft sind es gerade mal 1,2 Prozent. Die Aufsichtsbehörden lassen ausländische Versicherer nicht an die wirklich interessanten Fleischtöpfe. Die Kommunistische Partei hat jetzt allerdings eine deutliche Liberalisierung versprochen.

 

 

Das hat sie schon öfter.

 

Ich will nicht naiv dran glauben, aber ausschließen würde ich es auch nicht. Die chinesischen Versicherer sind inzwischen so stark, dass sie sich auch ohne die schützende Hand des Staates die Butter nicht vom Brot nehmen lassen. In einem Schwellenland wie China benötigt man einen gesunden Schuss Optimismus, sonst braucht man gar nicht anzutreten. Und man braucht einen langen Atem. Die Zeithorizonte in China sind andere, als wir sie vielleicht gewohnt sind.

 

 

Nimmt mit „One Allianz in China“ nun wieder München die Zügel in die Hand?

 

Eindeutig nein. „One Allianz in China“ ist eine Initiative der zehn Allianz Einheiten vor Ort. Wir sehen unsere Aufgabe darin, sie näher zusammenzuführen. Sie sollen im Markt als eine Allianz zu erkennen sein. Doch die Zügel liegen bei den lokalen Gruppengesellschaften. Sie kennen den Markt, sie kennen ihre Kunden und deren Bedürfnisse. Was wir bieten, ist Hilfestellung. China tickt top-down, von oben nach unten, deshalb müssen unsere Vorstände und Experten dort mehr präsent sein. Wir wollen in Zukunft deutlicher machen, was wir den Chinesen zu bieten haben und uns stärker als Wissensgeber ins Gespräch bringen.

 

 

Wie sieht das konkret aus?

 

Wir werden unsere Experten zu Vorträgen ins Land schicken, mit Entscheidungsträgern zusammentreffen, die Medien einbeziehen. Vor kurzem zum Beispiel war Allianz Chefökonom Michael Heise in China, um über die Zukunft des Euro und der Europäischen Gemeinschaft zu referieren. Das ist in der Presse auf große Resonanz gestoßen. Wir wollen kein zusätzliches Geld für Marketing ausgeben, das würde in diesem riesigen Land mit seinen zahlreichen Millionenstädten verpuffen, aber wir wollen unser Know-how besser ins Spiel bringen, zum Beispiel in Sachen Demographie oder in Sachen Infrastrukturprojekte.

Uwe Michel, Chef des Unternehmensbereichs Asien (Insurance Growth Markets Asia)
Uwe Michel, Chef des Unternehmensbereichs Asien (Insurance Growth Markets Asia): "Wir haben in den letzten Jahren in China eine gute Basis geschaffen, auch was Geschäftslizenzen angeht. Doch jetzt ist es langsam an der Zeit, die Ernte einzufahren."
Die Allianz in China

Wer ist die Zielgruppe in China?

Vor allem wenden wir uns an die wachsende Mittelschicht in den Städten, das sind Mittlerweile über 300 Millionen Menschen. Die sind zunehmend daran interessiert, ihren Wohlstand abzusichern. Das eröffnet Chancen in allen Bereichen, vor allem aber in der Lebens- und Krankenversicherung. Zusammen mit unserem Partner CPIC haben wir gerade eine Krankenversicherung gegründet. Aber auch für Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS) ergeben sich neue Möglichkeiten. China will die grüne Technik ausbauen – angesichts der enormen Umweltprobleme nur zu verständlich. Und auf diesem Gebiet ist Deutschland führend. Da werden wir sicher unsere deutschen Versicherungskunden begleiten können. Aber wir richten uns mit unseren Angeboten auch an chinesische Unternehmen.

 

China ist ein gigantischer Markt. Wird ein ausländischer Anbieter wie die Allianz dort überhaupt wahrgenommen?

Es gibt Nischen, in denen wir stark sind und wo die Chinesen etwas von uns lernen können. Die Krankenversicherung ist ein typisches Beispiel. Da fehlt den Chinesen die Erfahrung. Die private Krankenversicherung macht bisher nur einen Bruchteil der Ausgaben im Gesundheitswesen aus. Wir können im Produktbereich, im Risikomanagement oder der IT etwas beisteuern, die CPIC, mit der wir jetzt das Gemeinschaftsunternehmen gegründet haben, bringt ihr Vertriebsnetz und ihre Kontakte zu staatlichen Stellen ein. Ich bin optimistisch, dass wir uns von dem riesigen Kuchen in China ein Stück sichern können. Wir müssen natürlich aufpassen, dass die Gewinne dieses Wissenstransfers auch allen Seiten zugute kommen.

 

Die Allianz wird in dem Joint Venture Minderheitspartner. Ein Paradigmenwechsel?

Das ist für die Allianz schon ein Schritt, bei einem Joint Venture wie der jetzt gegründeten Krankenversicherung in eine Minderheit zu gehen. Aber wir haben gesehen, dass wir nicht zum Zuge kommen, wenn wir allein auftreten. Für uns sind bei diesem Experiment drei Fragen entscheidend: Wo ist der Mehrwert für die Allianz? Wie groß ist das Risiko, wenn wir in die Minderheit gehen? Und gelingt es uns, mögliche Gewinne aus China herauszubekommen?

 

Andere Unternehmen haben sich entschieden, ihr Engagement in China zurückzufahren oder ganz auszusteigen. Keine Option für die Allianz?

Das ist immer eine Option. Natürlich müssen wir aufpassen, dass wir nicht unter die Räder geraten. Die Frage ist, ob wir mit dem Geld, das uns unsere Anleger zur Verfügung stellen, in China etwas Vernünftiges auf die Beine stellen können. Ich bin sicher, dass wir dazu in der Lage sind, und „One Allianz in China“ ist ein wichtiger Baustein. Kunden schließen natürlich keine Versicherung ab, nur weil wir jetzt diese Initiative gestartet haben. Sie schließen ab, weil Global Automotive ein gutes Angebot hat. Oder weil AGCS eine gute Deckung bietet. „One Allianz in China“ soll den Austausch der Tochtergesellschaften untereinander fördern. Sie sollen darüber reden, wer welchen Kunden an der Hand hat, und wie man ihn gemeinsam noch besser betreuen kann. Inzwischen gehen die Kundenmanager der verschiedenen Allianz Einheiten bereits zusammen zu Großkunden und offerieren ihre Angebote.

 

Und wie kommt das an?

Die Resonanz ist äußerst positiv. Allianz China, Global Automotive und Allianz Global Assistance haben gemeinsam bereits erste Verträge abgeschlossen, gerade vor kurzem mit einem internationalen Telematics-Unternehmen. Da geht es immerhin um zehn Millionen Euro an Beitragseinnahmen. Und es stehen noch etliche andere Unternehmen auf unserer Liste.

 

Fährt Ihnen als europäischem Anbieter da nicht gerade die Finanzkrise in die Parade?

Europa wird nicht mehr als Hort der Sicherheit wahrgenommen, und natürlich kommt in jedem Gespräch die Frage, was der Euro gerade macht. Die Allianz aber gilt in China weiter als stabiles Unternehmen, da hilft uns unser gutes Rating natürlich sehr. Und genau diese Stärke wollen wir in unserem öffentlichen Auftritt herausstellen. Das wird auch unsere Anziehungskraft als Arbeitgeber steigern. Die Loyalität der Mitarbeiter ist für uns in China ein Dauerthema.

 

Laufen Ihnen die Leute weg?

Die Fluktuation ist sehr hoch. Es ist schwierig, in China gute Mitarbeiter zu bekommen, und noch schwieriger, sie zu halten. Wir bilden sie aus, und dann werden sie von Wettbewerbern abgeworben. Im April haben wir in München die erste interne Jobmesse für China veranstaltet. Gut 40 chinesischsprachige Mitarbeiter aus verschiedenen Bereichen nahmen teil, die sich vorstellen können, nach China zu gehen. Das lässt hoffen. Wir müssen deutlich machen, dass die Allianz ein Top-Unternehmen ist, das zu den Fortune 100 gehört und das dank seiner breiten Aufstellung spannende Entwicklungs- und Karrieremöglichkeiten bietet. Dann kriegen wir auch die Fluktuation in den Griff. Unser Ziel ist es, im Markt als Einheit wahrgenommen zu werden, die vielerlei Facetten bedient. Genau darauf zielt auch die Initiative „One Allianz in China“ ab. Ich bin sicher, dass wir uns China annähern und erfolgreich sein können.

 

Wie weit soll die Annäherung gehen?

Es geht nicht ums Anbiedern, es geht darum, den Markt zu verstehen, damit wir unser Wissen richtig einbringen können. Die Chinesen wollen schließlich mit uns arbeiten, gerade weil wir Deutsche sind, weil wir Europäer sind. Wir haben in den letzten Jahren in China eine gute Basis geschaffen, auch was Geschäftslizenzen angeht. Doch jetzt ist es langsam an der Zeit, die Ernte einzufahren.

Diese Aussagen stehen, wie immer, unter unserem Vorbehalt bei Zukunftsaussagen:

 

Patience Chan 
Allianz Asia Pacific
Tel. +852.2238-8574
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