Allianz Re stellt Versicherungszyklus in Frage

Rückschau über das Jahr 2011 - ein NatKat-Rekordjahr

"Es gab definitiv "extrem" viele Naturkatastrophen", sagt Amer Ahmed, CEO der Allianz Re."Drei davon allein in Neuseeland. Und das Erdbeben und der Tsunami in Japan waren nicht nur für die unmittelbar Betroffenen, sondern für die ganze Gesellschaft eine Tragödie. In Japan ist man auf große Erdbeben gefasst, doch niemand konnte das Ausmaß der Zerstörung durch den Tsunami vorhersehen. Trotzdem ließ sich der Markt dadurch nicht allzu sehr irritieren", erklärt Ahmed.

Bezeichnend waren letztes Jahr auch die Verluste aus Sekundärrisiken oder sogenannten Cold Spots, die am Markt immer noch ihre Kreise ziehen. Dazu gehören beispielsweise die Überschwemmungen in Thailand, die gleich auf verschiedenen Ebenen zu Besorgnis führten.

"Das Hochwasserrisiko in Thailand ist allgemein bekannt, aber diese Überschwemmungen waren weit stärker als angenommen. Außerdem wurde klar, dass die Interaktion zwischen Mensch und Umwelt gerade bei Hochwasser mitunter unerwartete Folgen haben kann. Am Wichtigsten ist jedoch, dass Thailand uns die Auswirkungen der Globalisierung aufgezeigt hat. Gerade in Bangkok hat die zunehmende Verdichtung in Gewerbegebieten zu einer immensen Konzentration von Versicherungswerten an ein und derselben Stelle geführt", erklärt Ahmed.  

 

Die Reaktion der Rückversicherer auf 2011


Die große Frage beim Monte Carlo Rendezvous und dem Treffen in Baden-Baden letztes Jahr war, wie der Markt auf eine so ungewöhnliche und schwierige Reihe von Verlusten reagieren kann und soll, gerade im Bereich Betriebsunterbrechung und Rückwirkungsschäden. Die Käufer von Versicherungs- und Rückversicherungsprodukten befürchteten einen plötzlichen Kapazitätsausfall, wie man ihn nach großen Ereignissen in den üblicheren NatKat-Sparten kennt.

"Wir brauchen alle dringend bessere Informationen über die Risikoexposures. In der Sachversicherung ist das relativ einfach: Versicherer sollten wissen, wo sich die Werte befinden, damit sie sich einen umfassenden Überblick verschaffen können", so Ahmed.

"Weiterhin müssen wir bewegliche Güter genauer unter die Lupe nehmen, wie z.B.  Lagerbestände und Transportgüter . Das ist schwierig einzuschätzen  und wenn dann noch Betriebsunterbrechung ins Spiel kommt, wird alles noch weit komplizierter. Potenzielle Sachbeschädigungen lassen sich relativ leicht beurteilen, aber es ist weitaus schwieriger die Auswirkungen für die Geschäftstätigkeit zu modellieren und abzuschätzen, wie lange es dauert, ein Unternehmen wieder zum Laufen zu bringen. Wir brauchen deshalb weit größere Transparenz bei den zugrundeliegenden Exposures und Risiken. Das ist unsere höchste Priorität", erklärt er.

Amer Ahmed, CEO der Allianz Re
Amer Ahmed, CEO der Allianz Re

Thailand hat uns die Auswirkungen der Globalisierung aufgezeigt. Gerade in Bangkok hat die zunehmende Verdichtung in Gewerbegebieten zu einer immensen Konzentration von Versicherungswerten an ein und derselben Stelle geführt.


Über das schwierige Umfeld


Laut Ahmed steht die ganze Branche im derzeitigen schwierigen Wirtschaftsumfeld vor einer Herausforderung. "Versicherer beziehen Prämieneinnahmen und kommen im Gegenzug für Schäden auf. Genau das ist unsere Aufgabe. Aber wir müssen sicherstellen, dass die Prämieneinnahmen über das gesamte Portfolio hinweg ausreichen, damit das System auch wirklich funktioniert. Nur wenn wir den Ertrag auf das Risikokapital erzielen, der unsere Risiken abdeckt, können wir auch für Verluste aufkommen. So gesehen ist die Rückversicherung ein ziemlich einfaches Konzept, das für Stabilität sorgt durch die internationale Streuung des Geschäfts rund um den Globus", sagt er.

"Als großer Versicherungskonzern investieren wir in die Aktualisierung und Analyse der Exposuredaten, die wir erfassen. Nur so können wir das Gesamtportfolio auch wirklich aktiv verwalten. In der heutigen globalisierten Welt ändern sich die Dinge manchmal sehr schnell. Es kann gut sein, dass wir unsere Exposures öfter analysieren müssen als bisher, um schneller reagieren zu können. Vielleicht müssen wir den traditionellen jährlichen Rückversicherungszyklus überdenken", fährt er fort.


Die Erneuerungssaison 2012


"Natürlich treiben die jüngsten Schäden aus Naturkatastrophen noch alle Marktteilnehmer um. Jetzt, zu Beginn der Erneuerungssaison, müssen wir uns mit den Problemen befassen, die 2011 deutlich wurden. Uns ist klar, dass wir im aktuellen Umfeld schlechte versicherungstechnische Ergebnisse kaum durch Erträge aus Investitionen wettmachen können. Deshalb müssen wir uns verstärkt auf die Risikoprüfung und das Underwriting konzentrieren. Gerade in diesem Bereich muss alles genau stimmen", sagt er.

"Die Modellierung großer Gefahren spielt dabei eine wichtige Rolle und wirkt sich auf die Marktdynamik insgesamt aus. Beispielsweise haben sich die Katastrophenmodelle für die Vereinigten Staaten geändert mit einem generellen leichten Aufwärtstrend. Die Katastrophen des letzten Jahres in Thailand, Neuseeland und Japan und die großen Tornadoschäden in den Vereinigten Staaten haben den Rückversicherern nicht ganz so stark zugesetzt wie beispielsweise früher ein einziges dramatisches Schadenereignis. Aber viele Unternehmen bekamen eine Reihe von mittelgroßen Schäden auf der ganzen Welt zu spüren. Ich rechne deshalb mit schrittweisen Beitragserhöhungen, aber das muss sich durch das ganze System ziehen. Wenn wir in bestimmten Bereichen nicht die Preise erzielen, die wir für notwendig erachten, so sind wir auch bereit, diese Geschäftsfelder aufzugeben, selbst wenn das unseren Umsatz beeinträchtigt", fährt Ahmed fort.

Das Interview führte Adrian Ladbury. Wir veröffentlichen diese Auszüge mit Erlaubnis von Reactions. 

Diese Aussagen stehen, wie immer, unter unserem Vorbehalt bei Zukunftsaussagen

Christiane Merkel
Allianz Re
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