Zum Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats für das Bundesfinanzministerium
Für die Altersvorsorge in Deutschland springt das Schwedische Modell zu kurz

Es ist ein guter Startpunkt für die notwendige Debatte zu einem der zentralen Zukunftsthemen: Ausgehend von den im Koalitionsvertrag verankerten Vorschlägen zur Weiterentwicklung der gesetzlichen Rente und dem Prüfauftrag zur privaten Altersvorsorge (pAV) hat der Wissenschaftliche Beirat des BMF in seinem Gutachten zentrale Elemente einer möglichen Weiterentwicklung der kapitalgedeckten Rente skizziert und dabei unterschiedliche Gestaltungsformen abgewogen. Das renommierte Gutachter-Gremium greift dabei viele wichtige Aspekte auf:
- die Frage der Organisation, d.h. staatliche Angebote versus privatwirtschaftliche Lösungen,
- die Ausrichtung der Kapitalanlage,
- die Bedeutung, aber auch Kosten von Beitragsgarantien in der privaten Altersvorsorge,
- die Frage nach Freiwilligkeit versus Verpflichtung zur Teilnahme, ggf. auch begrenzt auf bestimmte Zielgruppen,
- sowie die Auszahlung versus Verrentung von Leistungen.
Zudem wird auch behandelt, ob und in welcher Form beim Aufbau kapitalgedeckter Systeme eine öffentliche Schuldenfinanzierung begründbar erscheint.
Führt uns das Gutachten auf einen neuen Weg? In der Essenz scheinen die Autoren ein verpflichtendes Zusatz-System aus einem staatlichen und privaten „Standardangebot“ zu bevorzugen, ohne sich auf ein konkretes Modell festzulegen. Einige Kommentatoren ziehen den Schluss das sogenannte Schwedische Modell oder die Aktienrente wären die richtige Folgerung. Doch das könnte zu kurz springen. Warum?
Richten wir das Augenmerk auf Aspekte bei der Weiterentwicklung der Altersvorsorge, die mit dieser Antwort nicht ausreichend reflektiert würden:
1) Vorsorge sollte eine breitere Anlagebasis haben
2) Nutzung kollektiver Systeme und effizienter Glättungsmechanismen
3) Die Einbettung in die drei Säulen der Vorsorge
4) Vorsorge berührt immer auch die Zukunft unserer Volkswirtschaft
Sollten wir daher nicht intensiver diskutieren, wie die Frage der Altersvorsorge mit anderen drängenden Themenstellungen wie dem Transformationsprozess der Wirtschaft in Deutschland, Europa und weltweit oder der Finanzierung von Unternehmensgründungen verknüpft werden kann? Gerade Investitionen in Infrastruktur könnten ein hervorragendes Bindeglied sein: denn durch den langfristigen Anlagehorizont in der Altersvorsorge erscheint die Erzielung von höheren Renditen durch das Eingehen langfristiger Kapitalbindung und damit einhergehenden Illiquiditätsprämien besonders vielversprechend. Dies belegen innovative Beispiele an der Schnittstelle von Asset Management und Lebensversicherung.
Erstaunlicherweise wird zum Teil argumentiert, verpflichtende Standardprodukte würden die Investitions- und Aktienkultur in Deutschland fördern und einen Beitrag zur Finanzbildung und dem Vermögensaufbau der Bevölkerung leisten. Aber: über ein Zwangssystem Finanzbildung
zu stärken erscheint vorsichtig formuliert nicht besonders zielführend. Wenn man Finanzbildung und Investitionsförderung in Deutschland angehen will, gäbe es bessere und zielgerichtetere Ansätze. Einer davon ist etwa die Förderung der Mitarbeiterbeteiligung in Unternehmen, die langfristig Vermögen aufbaut und die Mitarbeiterbindung stärkt.
Auf Basis des Gutachtens und ergänzender Gedanken, sollten wir in der Debatte dem Schwedischen Modell auch andere Reformaspekte gegenüberstellen und diskutieren:
- Stärkung der Kapitaldeckung und Reduzierung von Garantien in beiden Säulen der ergänzenden Vorsorge, also in der bAV und pAV - dies würde mehr Freiheiten und den breiteren Einbezug von alternativen Investments in der Kapitalanlage ermöglichen
- Entschlackung der Riester-Regelungen und Öffnung für neue Anlageformen mit stärkerem Wettbewerb
- Förderung der Finanzbildung und konsequente Digitalisierung von Prozessen und Systemen mit Nutzung einer digitalen Infrastruktur auch für die Verbreitung der Altersvorsorge – das spricht gerade jüngere Menschen an
- Und vor allem die Frage, wie sich die notwendigen Investitionen in den anstehenden Transformationsprozess mit der Altersvorsorge verknüpfen lässt.
Es geht um ein wichtiges Thema! Es lohnt sich, eine breite Debatte zu führen und weitsichtige Maßnahmen zu beschließen, welche die Altersvorsorge zielgerichtet weiterentwickeln und zugleich die großen Zukunftsthemen unserer Zeit verbinden.
Mehr dazu
Über die Allianz
** Stand: 30. September 2023
*** Wie angegeben - nicht angepasst, um die Anwendung von IFRS 9 und IFRS 17 widerzuspiegeln.