Wie man eine Pandemie versichern kann

Wenn Sie jemals Tetris in den 80er oder 90er Jahren gespielt haben, als das Spiel die Welt im Sturm eroberte, wussten Sie: Egal wie gut Sie darin wurden, irgendwann würde das Spiel Sie besiegen. Zu Beginn stapelten Sie Ihre Blöcke ordentlich, aber als die Geschwindigkeit des Spiels zunahm, füllte sich Ihr Bildschirm bald mit unpassenden Blöcken, die nicht mehr zusammenpassten. Es begann Ihnen zu dämmern,  dass Sie gerade den Punkt überschritten hatten, an dem es kein Zurück mehr gab: Ehe Sie sich versahen, war das Spiel vorbei.

Die Geschwindigkeit, mit der Tetris diese Blöcke auf Sie warf, machte es unmöglich, es zu bewältigen. Die Covid-19-Pandemie betrat die Bühne auf eine ganz ähnliche Weise. Es war eine Epidemie, wie sie im Buche steht. Zunächst dachte man an eine lokale Ausbreitung, die man in den Griff bekommen konnte. Bald war deutlich, dass sie sich zu schnell und mit schlimmen Folgen ausbreitete. Es dauerte nicht lange, bis sich die Epidemie  zu einer Pandemie entwickelte. Das Wort selbst kommt aus dem Griechischen (pan bedeutet alles und demos bedeutet Menschen). Sie verbreitete sich schnell und weltweit. Dieser Ausbruch schaffte es, unsere Gesundheit, Familien, Länder und Volkswirtschaften zu lähmen und zu schädigen. Viele Unternehmen gingen in Konkurs und infolgedessen verloren viele Menschen ihre Arbeit.

Im Gegensatz zu Tetris ist es glücklicherweise möglich, eine Pandemie in den Griff zu bekommen. Aber: Eine Pandemie ist durch die Versicherungswirtschaft alleine nicht versicherbar. Auch das hat diese Pandemie gezeigt. Diese Erkenntnis ist die Grundlage dafür, dass Verischerungswirtschaft und Staaten gemeinsam nach neuen Wegen für künftige Absicherungslösungen suchen, die solche globalen Ereignisse enormen Ausmaßes abdecken könnten.

COVID

Die Lücke beachten

Die Art und Weise, wie Versicherungen normalerweise funktionieren, ist, dass viele Menschen eine vergleichsweise kleine Prämie einzahlen, damit einige wenige Betroffene im Schadenfall viel Geld bekommen. Doch der grundlegende Mechanismus der Risikobündelung und -umverteilung funktioniert nicht, wenn ein systemisches Risiko vorliegt, dessen Auswirkungen in der gesamten globalen Wirtschaft zu spüren sind, wie es bei der Pandemie der Fall ist. Das durch eine Pandemie verursachte Betriebsschließungs- und Betriebsunterbrechungsrisiko ist einzigartig, da es fast alle Versicherungsnehmer gleichzeitig und über einen längeren Zeitraum hinweg betreffen kann.

Wenn wir über Pandemien und Versicherungen sprechen, hören wir oft den Ausdruck Schutzlücke. Eine Schutzlücke ist der Anteil der nicht versicherten Schäden an den gesamten wirtschaftlichen Schäden. Aufgrund ihrer systemischen Eigenschaften konzentriert sich die Versicherbarkeit von Pandemien häufig auf das gewerbliche Sachversicherungsgeschäft und insbesondere auf die Betriebsschließungs-Schutzlücke (BU).

Um die Dinge in die richtige Perspektive zu rücken: Laut dem jüngsten Bericht der Geneva Association generieren Schaden- und Unfallversicherer weltweit ein jährliches Prämienaufkommen von etwa 1,6 Billionen US-Dollar, während der weltweite Schaden am BIP nur für das Jahr 2020 auf 4,5 Billionen US-Dollar geschätzt wird.

Schaden- und Unfallversicherer müssten über alle Sparten hinweg fast drei Jahre lang 1,6 Billionen US-Dollar einnehmen, um den geschätzten BIP-Schaden für die Corona-Pandemie im Jahr 2020 zu decken. Darüber hinaus ist nur ein winziger Bruchteil (geschätzte 25-30 Milliarden US-Dollar) der weltweiten P&C-Prämienbasis mit einer Deckung für Betriebsschließungen bzw. Betribesunterbrechungen verbunden. Die globale Schaden- und Unfallversicherungsbranche müsste mindestens 150 Jahre lang Prämien für Betriebsschließung bzw. Betriebsunterbrechung einnehmen, um den geschätzten globalen Produktionsverlust durch die Pandemie aufzufangen. 

Zur weiteren Veranschaulichung: Schäden, die zum Beispiel mit einem Hurrikan verbunden sind, sind lokal und lösen sich innerhalb von Stunden oder Tagen auf. Pandemiebedingte Verluste haben das Potenzial, alle Versicherungsnehmer unabhängig von ihrem Standort und zur gleichen Zeit zu treffen und sich über Monate oder sogar Jahre zu erstrecken.

Darüber hinaus hängt die wirtschaftliche Schwere, die mit einer Pandemie verbunden ist, von der Reaktion einer bestimmten Regierung auf die Pandemie ab. Solche wirtschaftlichen Verluste, die mit der Politik und politischen Entscheidungen zusammenhängen, sind schwer zu modellieren und zu messen.

Lösungen für die Zukunft

Natürlich sind viele Lösungen denkbar, um diese Schutzlücke zu schließen - auch, dass die Staaten die Versicherung in Eigenregie organisieren. Es wäre aber sicherlich sinnvoll, einen übergreifenden Ansatz in Zusammenarbeit zwischen der Versicherungswirtschaft und dem jeweiligen Staat zu entwickeln. Das hat zwei Gründe: Die Versicherer wissen, wie sie schnell und reibungslos Auszahlungen vornehmen können. Darüber hinaus erleichtern bestehende Kundenbeziehungen die Identitätsprüfung.

Das erläutert Allianz SE-Vorstand Klaus-Peter Röhler in seinem kürzlich in der VersicherungswirtschaftHEUTE veröffentlichten Gastbeitrag.

Aus den gemeinsamen Diskussionen zwischen den Versicherern und den Regierungen ergeben sich vier Schlüsselfragen, die es zu klären gilt: Welches Versicherungsmodell ist die geeignetere Lösung - das Kapitalsammelmodell oder ein Versicherungsmodell? Sollte ein solches Deckungssystem freiwillig oder verpflichtend sein? Was ist der geeignete Auslöser, um dieses System in Kraft zu setzen? Und schließlich: Sollte eine Lösung europäischer oder nationaler Natur sein?

Klaus Peter Röhler
Klaus-Peter Röhler
Die Allianz befürwortet die Entwicklung einer speziellen Pandemie-Deckung für alle Länder in Europa, in Zusammenarbeit mit der Versicherungswirtschaft und den Regierungen. Eine spezielle Deckung bietet die Möglichkeit einer umfassenden Absicherung für viele Unternehmen. Im Falle einer definierten Pandemie würden die Versicherer Leistungen bis zu einem definierten Betrag erbringen, wobei sich die Berechnung z.B. an der angenommenen Wahrscheinlichkeit des Wiederauftretens einer Pandemie orientieren könnte. Eine solche Prämie wäre jedoch prohibitiv hoch, da sie die volle Risikosituation widerspiegeln würde. Wenn die Versicherten bereits in der Lage sind, reduzierte Prämien für diesen Versicherungsschutz zu zahlen, könnte der Staat sie subventionieren. Der Staat kann - wenn nötig - auch noch weitergehende staatliche Leistungen über das definierte Niveau hinaus definieren. Röhler grenzt den Lösungsvorschlag ein:

1. Die Vorteile einer verpflichtenden Lösung ausloten

Aus Sicht der Allianz könnte eine verpflichtende Lösung  vorteilhafter sein, denn „bei einer freiwilligen Versicherungslösung käme es nicht zu einer flächendeckenden Absicherung  – vielmehr würde man eine Art 'Flickenteppich' vorfinden. Eine Konsequenz könnte sein, dass Druck auf die Staaten ausgeübt würde, einzuspringen, auch und gerade in Fällen, in denen kein Versicherungsschutz besteht. Damit werden diejenigen benachteiligt, die selbst Verantwortung übernommen und vorgesorgt haben. Außerdem ist es bei einer freiwilligen Lösung schwieriger, die Prämien bezahlbar zu halten. Das wollen wir unbedingt vermeiden. Eine verpflichtende Lösung müsste trotzdem sicherstellen, dass eine schlanke und unbürokratische Absicherung besteht und Wirtschaftlichkeitsüberlegungen nicht außer Acht gelassen werden“, so Röhler.

2. Fokus zunächst nur auf Pandemien 

Röhler betonte zudem, dass sich eine solche Deckung zunächst nur auf Pandemien konzentrieren und andere systemische Risiken wie Terroranschläge, Cyberattacken oder ähnliches ausschließen sollte, da die Preisgestaltung extrem komplex werden könnte, wenn mehrere Risiken in einem Modell kombiniert werden.

3. Definition eines klaren Auslösers

Wichtig für die Allianz ist es, einen klaren und leicht verständlichen Auslöser zu definieren, bei dem diese Pandemie-Deckung in Kraft treten könnte. Dies würde eine schnelle und standardisierte Schadenabwicklung ermöglichen.

 4. Umsetzung auf nationaler Ebene

„Dieser Ansatz könnte in einen übergreifenden europäischen Rahmen mit Mindeststandards für alle Mitgliedstaaten eingebettet sein – das wäre angesichts der Verflechtung der europäischen Volkswirtschaften sicher sinnvoll. Die Umsetzung sollte dann aber auf nationaler Ebene erfolgen und muss an den länderspezifischen Kontext angepasst sein. Denn die Gesetze zur Abfederung von Pandemiefolgen wie zum Beispiel das Kurzarbeitergeld in Deutschland sind von Land zu Land unterschiedlich“, sagt Röhler.

Die Allianz sieht ihre Rolle darin, das vom jeweiligen Land gewählte Modell zu unterstützen, da die Versicherungsindustrie über die Expertise und die Ressourcen verfügt, um Auszahlungen zu managen. „Daher sind wir als Allianz flexibel in der Herangehensweise, um die jeweilige Regierung bestmöglich bei der Umsetzung ihres individuell gewählten Modells zu unterstützen. Wichtig ist, dass Politik und Versicherungswirtschaft zügig gemeinsam einen Weg finden, der zu unserem Ziel führt, Kunden bei einer nächsten Pandemie schnell sinnvolle Unterstützung bieten zu können“, so Röhler weiter.

Die Versicherungswirtschaft arbeitet gemeinsam mit den Staaten der EU daran, eine Lösung zu finden. Die Regierungen konzentrieren sich derzeit verständlicherweise auf die Bekämpfung der zweiten und dritten Covid-19-Welle und organisieren ihre nationalen Impfkampagnen. Die Versicherer warnen jedoch, dass es wichtig ist, so schnell wie möglich die notwendigen Rahmenbedingungen für die jeweilige Pandemielösung zu definieren. Erst wenn diese Rahmenbedingungen gegeben sind, können die Versicherer mit der Produktentwicklung beginnen. „Zu unserem Heimatmarkt Deutschland kann ich sagen: Wir als Allianz würden das lieber heute tun, als morgen“, schließt Röhler.
Die Allianz Gruppe zählt zu den weltweit führenden Versicherern und Asset Managern und betreut rund 125 Millionen* Privat- und Unternehmenskunden in knapp 70 Ländern. Versicherungskunden der Allianz nutzen ein breites Angebot von der Sach-, Lebens- und Krankenversicherung über Assistance-Dienstleistungen und Kreditversicherung bis hin zur Industrieversicherung. Die Allianz ist einer der weltweit größten Investoren und betreut im Auftrag ihrer Versicherungskunden ein Investmentportfolio von etwa 737 Milliarden Euro**. Zudem verwalten unsere Asset Manager PIMCO und Allianz Global Investors etwa 1,7 Billionen Euro** für Dritte. Mit unserer systematischen Integration von ökologischen und sozialen Kriterien in unsere Geschäftsprozesse und Investitionsentscheidungen sind wir unter den führenden Versicherern im Dow Jones Sustainability Index. 2023 erwirtschafteten über 157.000 Mitarbeiter für den Konzern einen Umsatz von 161,7 Milliarden Euro und erzielten ein operatives Ergebnis von 14,7 Milliarden Euro.
* Einschließlich nicht konsolidierter Einheiten mit Allianz Kunden.
** Stand: 31. Dezember 2023

Pressekontakte

Susanne Seemann
Allianz SE
Diese Aussagen stehen, wie immer, unter unserem Vorbehalt bei Zukunftsaussagen:

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