Eine Lösung für die nächste Pandemie sieht Röhler in der Zusammenarbeit von Versicherungswirtschaft und Staat. „Wir wollen eine aktive und vorausschauende Rolle spielen, um mögliche künftige Pandemien, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), von Anfang an berechenbarer und schneller zu erfassen", sagt Röhler. Um dieses Ziel auf dem effektivsten Weg zu erreichen, empfehlen die Experten der Allianz, in Zusammenarbeit mit der lokalen Versicherungswirtschaft und der Regierung eine spezielle Pandemie-Deckung für die europäischen Märkte zu entwickeln. „Damit wäre eine umfassende Deckung für Unternehmen auf breiter Basis verfügbar", sagt Röhler. Die Versicherer würden die Deckung bis zu einer vertraglich vereinbarten Höhe übernehmen. Wird dieses Niveau überschritten, würde der Rest vom Staat übernommen.
Die Lösung sollte obligatorisch sein. „Bei einer freiwilligen Lösung gäbe es keine Pauschaldeckung", sagt Röhler. Es wäre ein Flickenteppich. Zudem würde eine freiwillige Lösung es noch schwieriger machen, die Prämien bezahlbar zu halten, wenn die Preise korrekt berechnet werden. „Das wollen wir unbedingt vermeiden."
Ziel eines solchen Schutzes sollten zunächst nur Pandemien sein. „Unserer Meinung nach spricht vieles dafür, andere systemische Risiken wie Terrorismus oder Cyberattacken nicht in diese Lösung einzubeziehen, da sonst die Preisgestaltung aufgrund des Zusammenspiels mehrerer Risiken äußerst komplex wäre.“
Darüber hinaus sollte die Lösung zunächst für KMU und Selbständige entwickelt werden, um diejenigen zu schützen, die am stärksten von pandemiebedingten Geschäftsschließungen betroffen sind, und um sicherzustellen, dass bestimmte Fixkosten für einen bestimmten Zeitraum gedeckt sind. Für große Unternehmen wären maßgeschneiderte Versicherungslösungen sinnvoll.
"Für uns ist es wichtig, dass ein klarer, leicht verständlicher Auslöser definiert wird, ab dem die Pandemielösung greift und schnelle und standardisierte Schadenzahlungen ermöglicht", sagt Röhler. Wie man nicht nur mit den direkten, sondern auch mit den indirekten Auswirkungen wie zum Beispiel den Auswirkungen auf Reisebüros aufgrund von Reisebeschränkungen umgeht, muss ebenfalls sorgfältig überlegt werden.
Angesichts der Abhängigkeiten der europäischen Volkswirtschaften untereinander hält es die Allianz für sinnvoll, dieses Konzept in einen übergreifenden EU-Rahmen mit Mindestanforderungen einzubetten. „Die Umsetzung sollte jedoch auf nationaler Ebene erfolgen und an die einzelnen Länder angepasst werden", erklärt Röhler, „denn die Gesetze zur Abfederung der Auswirkungen einer Pandemie, wie zum Beispiel das Kurzarbeitsgesetz in Deutschland, unterscheiden sich von Land zu Land. “
Unabhängig davon, welcher Weg letztlich in den einzelnen Ländern eingeschlagen wird: „Aus unserer Sicht ist es wichtig, dass die Lösung eine einfache, effiziente und zuverlässige Schadenbearbeitung und Zahlungsabwicklung gewährleistet, um Kunden im Falle der nächsten Pandemie schnell und sinnvoll unterstützen zu können", so Röhler.
Doch das ist nicht die einzige Lehre, die Röhler aus dieser Krise zieht: „Die Coronapandemie hat den Trend zu mehr Nachhaltigkeit beschleunigt. Das ist eine einmalige Chance, die wir nutzen müssen.“ Röhler interpretiert den Begriff weit: „Nachhaltig handeln heißt für mich, aktiv zur Bewältigung der zentralen ökologischen, ökonomischen und sozialen Herausforderungen beizutragen. Das ist Teil unserer DNA als Versicherer. Daher integrieren wir den Klimaschutz in das Kerngeschäft unserer Geschäftsbereiche, dem Investment- und dem Versicherungsgeschäft. Wir arbeiten beispielsweise mit Hochdruck daran, bis 2050 alle Versichertengelder klimaneutral anzulegen. Das Geld, das die Kunden der Allianz aus ihren Versicherungs- und Anlageprodukten erhalten, wird so zunehmend CO2-neutral erwirtschaftet.“
In der aktuellen Situation sieht Röhler es nicht nur als Kernaufgabe an, für die nächste Pandemie gewappnet zu sein, vielmehr müsse man insgesamt in eine aktivere Rolle in Bezug auf globale Risiken kommen. „Um unserem Selbstverständnis zu mehr Nachhaltigkeit nachzukommen, müssen wir antizipieren statt nur zu reagieren.“ Die nächste weltumspannende Krise warte schon – eine globale Cyberattacke sei ein durchaus realistisches Szenario, genauso wie der Klimawandel. „Beide Risiken sind systemisch und können daher nicht von den Versicherern allein bewältigt werden", sagt Röhler. „Was wir brauchen, ist ein übergreifender partnerschaftlicher Ansatz von Versicherungsbranche, Wirtschaft und Staat, um gemeinsam Lösungen zu entwickeln. Daran arbeiten wir mit Hochdruck!“