Versicherung und künstliche Intelligenz: Ihr Bot ist jetzt für Sie da...

Wenn Sie das nächste Mal Ihren Versicherer anrufen, stehen die Chancen gut, dass ein humanoider Roboter – oder auch künstliche Intelligenz (nach dem englischen Begriff Artificial Intelligence „AI“ genannt) – am anderen Ende der Leitung ist. Versicherer setzen bei der Beratung zunehmend intelligente Computer ein, um den Prozess zu beschleunigen, ob beim Abschluss von Policen oder bei der Abwicklung von Schadenfällen. Das heißt, dass Sie virtuelle Sachbearbeiter und Risikoberater jetzt auch außerhalb der F&E-Abteilungen der Versicherungen antreffen.

 

Artificial Intelligence (AI) und ihr Teilgebiet maschinelles Lernen sind nichts anderes als Software, die dazu trainiert wurde, wie ein Mensch zu denken und zu handeln. Relativ rudimentäre Formen dieser Technologie sind bereits in der Lage, einfache Aufgaben auszuführen, wie beispielsweise die Überprüfung von Versicherungsfällen auf Hinweise von Betrug. Doch schon bald werden künftige Generationen der künstlichen Intelligenz in der Lage sein, auch komplexe Probleme zu lösen und – dem Menschen gleich – Entscheidungen zu treffen.

AI soll durch Automatisierung einfacher Aufgaben und effiziente Datenanalyse die Produktivität steigern. Nach Schätzungen des Managementberatungs-, Technologie- und Outsourcing Dienstleisters Accenture wird AI die Weltwirtschaftsleistung bis zum Jahr 2035 voraussichtlich um über 30 Prozent steigern.

AI wird bereits in fast allen Wirtschaftszweigen eingesetzt, von Chatbots, die rund um die Uhr Finanzberatungsleistungen bieten, bis hin zu künstlicher Intelligenz, die Ärzte bei der Diagnose von Krebserkrankungen unterstützt. Die Technologie kommt in selbstfahrenden Fahrzeugen zum Einsatz, bei der Bekämpfung von Krankheiten, bei der Wettervorhersage und der Prognostizierung der Folgen des Klimawandels.

Die Versicherungswirtschaft eignet sich ganz besonders für den Einsatz von AI, da hier Unmengen von Daten verarbeitet werden und die Prozesse stark von Wiederholungen geprägt sind. Tatsächlich war die Versicherungsbranche einer der ersten Anwender des maschinellen Lernens, häufig in Partnerschaft mit Technologiefirmen und durch Investition in Startups, die innovative Anwendungen entwickeln. Die von Tata Consultancy Services durchgeführte Global Trend Study ergab, dass die Versicherungswirtschaft fast doppelt so viel in AI investiert wie die zwölf anderen untersuchten Branchen: 124 Millionen Dollar gegenüber durchschnittlich 70 Millionen Dollar.

Künstliche Intelligenz birgt Risiken

Laut Michael Bruch, Head of Emerging Trends bei AGCS, wird AI einen tiefgreifenden Wandel in der Versicherungswirtschaft anstoßen. Davon profitieren sowohl Kunden als auch Versicherer. „AI bietet ein immenses Potenzial, um die Wertschöpfungskette der Assekuranz zu optimieren. So können wir besser auf Kundenbedürfnisse eingehen, zeitnah Wert schaffen und Kosten senken.“

AI dürfte vor allem in drei Schlüsselbereichen einen großen Unterschied machen. Zunächst wird AI zur Automatisierung des Versicherungsprozesses beitragen, wie etwa bei der Abwicklung von Schadenfällen und beim Abschluss von Policen. Im Laufe der Zeit wird dies bei Versicherern und ihren Kunden das Risikobewusstsein schärfen und im Ergebnis den Kundenkontakt effizienter gestalten.

Bisher haben sich die Versicherer vor allem darauf konzentriert, AI Anwendungen ins Privatkundengeschäft zu integrieren. Doch zunehmend rücken jetzt auch gewerbliche Versicherungen ins Blickfeld, darunter auch der große Sektor der Industrieversicherungen.

Hier kann AI erhebliche Kosteneinsparungen für den gewerblichen Sektor bringen, die Abwicklung des Versicherungsgeschäfts erleichtern und Vorgänge wie die Prüfung von Anträgen und Versicherungsverträgen beschleunigen. Vom Einsatz der AI profitiert auch die Entwicklung neuer Versicherungslösungen; zudem lässt sich Versicherungsbetrug so leichter identifizieren.

Nach den Worten von Michele Lagioia, einem Mitglied des italienischen Verbands für Künstliche Intelligenz, würde insbesondere die Schadenfallabwicklung von zunehmender Automatisierung profitieren. „AI und Automatisierung ermöglichen die schnellere und effizientere Abwicklung von Versicherungsfällen, bei denen es nicht um hohe Beträge geht. Doch auch bei den komplexeren Schadenfällen im Bereich der gewerblichen Versicherungen kann der Einsatz von AI die Entscheidungsfindung beschleunigen und den Schadenservice optimieren“, sagt Lagioia.

Lebens- oder Krankenversicherungsgesellschaften nutzen AI bereits bei der Formulierung von Verträgen und der Prüfung von Ansprüchen. Letztes Jahr stellte der Startup-Versicherer Lemonade einen neuen Weltrekord auf, als er mithilfe von AI binnen drei Sekunden – und ohne „Papierkram“ – einen Schadenfall bearbeitete und dem Kunden für ein abhandengekommenes Kleidungsstück Ersatz leistete. Automation bietet sich auch in vielen Bereichen des Firmenkundengeschäfts an, wie beispielsweise bei der Kfz-Versicherung und der Arbeitsunfallversicherung.

Durch die Automatisierung repetitiver Arbeiten können sich die Mitarbeiter auf die Aufgaben konzentrieren, die Wert schaffen, wie beispielsweise die Pflege von Kundenkontakten, Risikoprüfungen und technischen Support.

AI schafft für die Anbieter gewerblicher Versicherungsleistungen auch Gelegenheit, mit ihren Kunden häufiger in Kontakt zu treten, und zwar auf eine Weise, die für beide Seiten günstiger und praktischer ist. So lässt sich das Angebot persönlicher gestalten und auf die spezifischen Bedürfnisse des Kunden zuschneiden. So setzt Allianz im Privatkundengeschäft „Allie“ ein, eine Online-Assistentin, die rund um die Uhr zur Beantwortung von Kundenfragen zur Verfügung steht.

 

„AI kann dazu genutzt werden, weitere Berührungspunkte mit Kunden zu schaffen, sodass der Versicherer jederzeit als Ansprechpartner da ist und maßgeschneiderte Produkte und Leistungen anbieten kann“, erklärt Lagioia.

 

„Gewerbliche Großkunden fordern maßgeschneiderte Versicherungslösungen“, so Bruch. „Und während maschinelles Lernen zur Automatisierung der Leistungen beiträgt, wird es auch die Art und Weise verändern, in der Versicherer mit Kunden interagieren. Im Ergebnis führt dies zu einem plattformgestützten Servicekonzept. Mit AI können wir eine Umgebung für Versicherer und Dritte schaffen, in der ein gezielteres Risikomanagement und Leistungsangebot möglich sind.“

 

Neben der Optimierung des Versicherungsprozesses und der Leistungserbringung wird AI nach Bruchs Einschätzung auch Datenverarbeitung und Analytik verbessern, das Rückgrat des Versicherungsgeschäfts. „Mit AI lässt sich das gesamte Datenpotenzial erschließen. Gerade angesichts der Datenmengen, die durch das Internet der Dinge (IoT) verfügbar werden, ist das ein enormer Fortschritt. Damit werden Versicherer in die Lage versetzt, die Kundenrisiken besser nachzuvollziehen und ihre Kunden bei der Reduzierung von Risiken zu unterstützen. Für Risiken, die derzeit noch nicht versicherbar sind, könnten mögliche Lösungen gefunden werden.“

 

Allianz setzt maschinelles Lernen bereits bei der Risikoprüfung und beim automatisierten Abschluss von Versicherungsverträgen im KMU-Segment ein. Dieser Trend wird sich allmählich auch auf das gewerbliche Großkundengeschäft ausweiten. AGCS hat ein Tool entwickelt, das mithilfe von maschinellem Lernen besonders hohe Betriebsunterbrechungsrisiken in Lieferketten aufspürt. Dieses Tool analysiert Big Data, um Netzwerke erfolgskritischer Lieferanten in den verschiedenen Wirtschaftszweigen zu identifizieren.

 

„AI wird die Versicherer bei der Analyse von Daten und der Risikoprüfung unterstützen. So können Risikohäufungen sowie Preisrisiken zuverlässiger aufgedeckt werden, während die dabei gewonnenen Einsichten einen sinnvolleren Risikodialog zwischen Versicherungsträgern und Kunden ermöglichen“, sagt Bruch.

 

Im Cyber-Space könnte AI zum Beispiel eine wichtige Rolle bei der Risikominderung und der Risikoprüfung spielen und sowohl dem Versicherer als auch dem Versicherten nutzen.

 

Mit AI-gestützter Analytik sollten Unternehmen ihre Cyberrisiken besser verstehen und ihre Schutzmaßnahmen gegenüber Cyberattacken entsprechend verbessern. Zugleich könnten Versicherer mithilfe der Technologie ihre Cyberrisiken besser einschätzen und Risikohäufungen frühzeitig erkennen.

 

„AI kann die Risikotransparenz eines Gewerbekunden erhöhen. Bei vielen Aspekten – wie Reputation, Cyber, Lieferkette sowie Konjunktur- und Klimarisiken – kann maschinelles Lernen Unternehmen zu einem besseren Risikoverständnis verhelfen“, so Bruch.

Laut Bruch wird mit zunehmend ausgeklügelter Technologie auch die Zahl der AI-Anwendungen zunehmen.

„Dabei könnte AI als intelligenter Agent unterschiedliche Szenarien und Konsequenzen skizzieren und auf dieser Basis Entscheidungen treffen. Bereits die nächste Generation des maschinellen Lernens wird sich nicht mehr auf ein gesteigertes Risikobewusstsein beschränken, sondern aktiv Entscheidungen treffen.“

AI lässt sich zudem mit anderen Technologien integrieren, vor allem IoT und Blockchain. Im Ergebnis steigt das Risikoverständnis und Versicherer können innovative schnellere und maßgeschneiderte Leistungen bieten. So übermitteln Sensoren in Frachtcontainern bereits jetzt Daten zu Standort und Zustand der Fracht. Sobald sie analysiert sind, kann entweder der Deckungsschutz erweitert werden oder es können – falls die Güter beschädigt sind – Maßnahmen zur Risikominderung eingeleitet werden.

Bruch weiter: „Die Informationen aufgrund der Daten und der AI-gestützten Analytik könnten die Grenzen dessen verschieben, was als versicherbar gilt. Neue Risikotransferlösungen sind beispielsweise denkbar für NonDamage Business Interruption-Policen und Reputationsschäden.“

Diese Aussagen stehen, wie immer, unter unserem Vorbehalt bei Zukunftsaussagen:

 

Heidi Polke-Markmann
Allianz Global Corporate & Specialty
Tel. +49 89 3800 14303

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