Herr Ralph, das Asset Management der Allianz hat ein starkes Jahr hinter sich. Was erwarten Sie für die nächsten fünf Jahre?
Jay Ralph: Wir hatten mit knapp 3 Mrd. € operativem Gewinn in der Tat ein Rekordjahr. Über den Marktzyklus hinweg möchten wir im Nettoneugeldzufluss im Schnitt 5 bis 10% des verwalteten Vermögens p. a. erreichen. Unsere Sparte könnte in fünf Jahren den Anteil am Konzernergebnis von 28% auf etwa ein Drittel steigern.
Die Doppelstruktur – Pimco und Allianz Global Investors, AGI – bleibt?
Ja, wir haben aufgrund der neuen Struktur keinen einzigen Kunden verloren, und die Kunden haben die Wahl.
Wollen Sie zukaufen?
Im Asset Management setzen wir auf organisches Wachstum. Sowohl bei Pimco als auch bei AGI sehe ich gar keine Notwendigkeit zuzukaufen. Andererseits schliessen wir nicht aus, nach herausragenden Talenten zu suchen, etwa für die Bereiche Emerging Markets oder alternative Anlagen.
Was ist derzeit die grösste Herausforderung aus Sicht eines Asset-Managers?
Die finanzielle Repression und die ungelöste Frage, was geschieht, wenn die Zentralbanken den Ankauf von Anleihen und anderen Wertpapieren beenden. Es könnte wie Drogenentzug wirken. Wir wissen einfach noch nicht, was es für die Märkte wirklich bedeutet. Jedes zusätzliche Jahr, in dem die Zentralbanken intervenieren, wird das Risiko grösser.
Was macht Ihnen Sorgen?
Blasen in Vermögenswerten. Das Problem dürfte weniger die Inflation in der Realwirtschaft denn die Geldmengeninflation sein. Was wird mit dem Preis der Papiere geschehen, die Zentralbanken bisher gekauft haben? Zweifellos werden mit weniger Käufern die Zinsen steigen. Doch ich glaube nicht, dass wir in den nächsten Jahren den kompletten Rückzug der Notenbanken sehen werden. Die Wachstumsperspektiven sind dafür zu schlecht.
Wo sehen Sie Bewertungsblasen?
Wegen der hohen Liquidität gibt es vermutlich in einigen Assetklassen Blasen, wahrscheinlich über die ganze Bandbreite hinweg. Die Schwierigkeit ist, den grössten relativen Wert zu finden. Unter der Annahme, alles andere bleibe gleich, gibt es eine grössere Bewegung in Realwerte. Seien dies Immobilien, Infrastruktur, erneuerbare Energien, Metalle oder andere Rohstoffe. Ein sehr attraktives Segment sind auch hochqualitative Aktien.
Mit der Italienwahl flackert die Angst wieder auf, zu Recht?
Ohne engere Fiskal- und Wirtschaftsunion ist es unwahrscheinlich, dass die Europäische Währungsunion stark wird. Die Zentralbank hat Zeit gekauft. Bisher reichten Ankündigungen. Die Umsetzung von Reformen braucht ein Jahrzehnt, dies schafft Probleme. Die Schuldenquoten sollten auch nicht zu schnell abgebaut werden, da sonst das Wachstum leidet. Andererseits müssen in einigen Ländern die Schulden auf ein erträgliches Niveau verringert werden.
Welche Risiken erwachsen aus den Revolten im Nahen Osten und in Nordafrika?
Aus Sicht der Allianz sind die Anlagen in dieser Region gering. Sie sind es auch gemessen am globalen Kapital. Aber das Potenzial für Verwerfungen ist signifikant. Ein eskalierender politischer oder militärischer Konflikt in dieser für die Energieversorgung bedeutenden Region wäre ein grosser Schock für die Märkte. Die europäische und die US-Wirtschaft erholen sich gerade von sehr gedrückten Wachstumsraten, der Aufschwung ist fragil.
Was bedeutet das für die Anlagestrategie?
Die Schwierigkeit besteht darin, eine zufriedenstellende Rendite zu erzielen. Wegen der Solvabilitätsregeln ist der Trend noch mehr in lang laufende, festverzinsliche Anlagen gegangen. Hinzu kommt der demografische Wandel. Kommen mehr Menschen ins Pensionsalter, werden Vermögen eher von Aktien in Obligationen umgeschichtet. Wir stellen eine anhaltende Verlagerung von Mitteln unserer Kunden in komplexere Anlagegebiete fest, vor allem in Multi-Asset-Strategien.
Teilen Sie die Einschätzung, wegen drohender Inflationsgefahr finde eine längere Rotation von Anleihen in Aktien statt?
Mit Blick auf die Nullzinspolitik übertreffen die Dividendenrenditen hochqualitativer Aktien die Anleihenrenditen. So sehen Aktien wohl attraktiver aus als Bonds. Wir sehen bei Pimco und AGI momentan eine stärkere Betonung auf Aktien. Die von Pimco direkt gemanagte Aktienposition gemessen am Gesamtportfolio ist noch relativ niedrig, aber es gibt viele Strategien, die Bond- und Aktienstrategien verbinden. Dieser Teil des Geschäfts wächst schnell.
Lässt das Umfeld eine Ausweitung der Bewertungs-Multiples in Aktien denn zu?
In einer stabilen Erholung durchaus, da würden wir das erwarten. Wir sollten aber die Zinsentwicklung nicht vergessen.