Termin beim virtuellen Doktor

Es ist eine etwas seltsam anmutende Fracht, die da über die Pflastersteine im Hafen von Piräus gerollt wird, bevor man sie über die Verladebrücke auf ein angedocktes Transportschiff lädt. In Form und Größe ähnelt sie einer modernen Version eines Überseekoffers – dem Lieblingsgepäckstück von Weltreisenden im 19. Jahrhundert. Im Inneren befindet sich allerdings ein kleines Stück Zukunft der Medizin.

Moderne Technologie hat uns der Welt näher gebracht, sodass es heute möglich ist, vom Wasser zum Land in fast ständigem Kontakt zu stehen. Die Seefahrt ist jedoch nach wie vor aufgrund der entfernten und isolierten Umgebung mit hohen Risiken verbunden. Kommt es zu einem medizinischen Problem, kann ein Schiffsoffizier schnell mit seinem Latein am Ende sein, wenn sich seine Kenntnisse darauf beschränken, Verbände anzulegen, einen Venenzugang zu legen, Wunden zu nähen und starke Schmerzmittel zu verabreichen.

In einem solchen Fall sind eine umgehende Einschätzung des Zustands und Diagnose von wesentlicher Bedeutung, um bestimmen zu können, ob eine Notdeviation zum Land erforderlich ist. An dieser Stelle kommt der Telemedizin-Koffer, die in der Fracht enthaltene Lösung, zum Einsatz. Im Koffer befindet sich ein Diagnosetablet, das sich per Bluetooth mit einer Reihe von digitalen Geräten, wie Kardiographen (EKG), Blutdruckmessern, Thermometern und Blutsauerstoffmessgeräten, verbinden lässt. Enthalten sind auch Troponin- (Protein-) und Glukosetests sowie ein Otoskop, um das Trommelfell und Außenohr untersuchen zu können.

In einem Notfall kann der Schiffskapitän oder -offizier rund um die Uhr ein medizinisches Expertenteam aus Notfallspezialisten und Ärzten erreichen. Unter Anleitung führt der Offizier dann eine Reihe von fakten- und messungsbasierten Diagnosetests durch. Das Tablet erfasst dabei die Daten und sendet sie zur Analyse und Maßnahmenergreifung an das Supportzentrum.

Dank der Lösung wird das Crewmitglied quasi in „Echtzeit“ medizinisch versorgt. Der Kapitän ist für medizinische Fälle nur noch eingeschränkt haftbar und die Reederei spart sich unnötige Deviationskosten von rund 10.000 USD pro Tag. Eine solche telemedizinische Unterstützung kann auch in anderen isolierten Umgebungen, wie in Minen oder auf Forschungsstationen, Anwendung finden. Ärzte ohne Grenzen setzt Telemedizin fünf bis zehn Mal am Tag ein, um von 280 Spezialisten weltweit Rat zu schwerwiegenden Fällen in entlegenen, häufig kriegsgebeutelten Regionen einzuholen.

Mittlerweile können wir Telemedizinlösungen allerdings für ein weitaus breiteres Anwendungsspektrum in der Gesellschaft nutzen. Die demografischen und sozialen Veränderungen in westlichen Gesellschaften bringen es mit sich, dass die Menschen aus einst bevölkerungsreichen Gegenden immer mehr abwandern. Diejenigen, die in solchen Regionen bleiben häufig ältere und junge Menschen –, sehen sich einer zunehmenden Isolation und einem schwindenden Angebot an lokalen Dienstleistungen gegenüber.

In meiner Heimat Frankreich müssen die Menschen, die auf dem Land leben, häufig wochen- oder monatelang auf einen Termin bei einem Spezialisten warten. Daher ist es durchaus vorstellbar, dass die am Beispiel des Telemedizin-Koffers sichtbare digitale Revolution zur Schließung kritischer Lücken im Dienstleistungsbereich in Gemeinden vor Ort beitragen könnte.

Sieht man sich die hier zusammenkommenden technologischen Trends genauer an – Remote-Diagnoseoptionen, Cloudspeicher und Supportalgorithmen, die Ärzte bei der Diagnose unterstützen – lässt sich erkennen, wie sich das Gesundheitswesen und letztlich auch die Krankenversicherung verändern werden. Niemand, der eine Krankenversicherung abschließt, hat vor, diese tatsächlich in Anspruch zu nehmen. Hätten sie die Wahl, wären die Menschen lieber immer gesund. Heute haben wir dieses Potenzial buchstäblich in unserer Hand. Apps auf den Smartphones und Tablets, die wir alle nutzen, können Daten zu unserem Gesundheitszustand sammeln. Werden diese dann mit einer umfangreicheren Untersuchung wie dem regelmäßigen Besuch beim Hausarzt kombiniert, lässt sich ein Gesamtbild vom Gesundheitszustand einer Person zeichnen.

Diese Informationen ermöglichen jedem Einzelnen eine größere Kontrolle über die eigene Gesundheit. So kann ein System geschaffen werden, das nicht nur auf Heilung sondern auch auf Vorbeugung von Krankheiten basiert. Indem man den Menschen mehr Kontrolle bei der Messung ihres Gesundheitszustands lässt und die entsprechenden Messdaten mit medizinischen und versicherungstechnischen Systemen verknüpft, ist ein rechtzeitiges Eingreifen möglich.

Doch sind das alles nur unrealistische Erwartungen an die Zukunft? Ich denke nicht. 2015 wurden allein in den USA 800.000 virtuelle Konsultationen durchgeführt. Und auch das Tele-Home sowie Tele-Krankenhäuser und -Kliniken gewinnen an Bedeutung: Laut BBC Research war dieser aufstrebende Markt 2016 schätzungsweise fast 23,8 Mrd. USD wert. Bis 2021 wird der Wert voraussichtlich sogar auf 55,1 Mrd. USD steigen.

Die Menschen sind der Teleberatung gegenüber zweifellos offen eingestellt. Kommen schnelle Internetverbindungen, die Vernetzung mit Smartgeräten und angepasste Versicherungsstandards dazu, fördert diese Entwicklung unter den Versicherern einen Trend hin zur Bereitstellung von Gesundheitsdienstleistungen. So können Patienten zunächst Geräte zur Blutdruck- und Herzfrequenzmessung sowie zur Prüfung anderer Vitalwerte nutzen und diese Daten an ihre Ärzte senden, die dann Beratung zu einer gesunden Lebensweise und zu Vorbeugemaßnahmen bieten können. Während der ärztlichen Grundversorgung und Diagnosestellung ist die Ersteinschätzung und medizinische Beratung aus der Ferne möglich. Im Laufe der Behandlung selbst kann die Technologie beim Umgang mit der Krankheit und der Einnahme von Medikamenten sowie der ambulanten Betreuung und Pflege Hilfestellung leisten.

Angesichts der alternden Gesellschaft werden solche Lösungen eine wichtige Rolle dabei spielen, durchgehend hochwertige Dienste bereitzustellen und gleichzeitig explodierende Gesundheitskosten zu vermeiden. Ärzte können sich heutzutage bereits per Telefon, E-Mail und Skype mit Patienten austauschen. Rezeptpflichtige Medikamente können online bestellt und die Bestellungen sogar mit Apotheken verknüpft werden, sodass eine Lieferung nach Hause möglich ist. Dies ist schon keine Vision der unmittelbar bevorstehenden Zukunft mehr, sondern vielmehr ein Abbild der aktuellen Situation und bereits laufender Entwicklungen. Die Art und Weise, wie Sie Gesundheitsleistungen in Anspruch nehmen, wird damit grundlegend verändert.

Ida Luka-Lognoné ist CEO von Allianz Worldwide Care, einer spezialisierten Marke von Allianz Worldwide Partners. Luka-Lognoné verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Versicherungsbranche und ist für die strategische Ausrichtung von Allianz Worldwide Care verantwortlich. Das Unternehmen bietet auf globaler Ebene Kranken-, Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherungen und stellt Gesundheits- und Sicherheitsservices bereit.

Diese Aussagen stehen, wie immer, unter unserem Vorbehalt bei Zukunftsaussagen

 

Dr Matthias Kuss
Allianz Worldwide Partners
Tel. +49 89 3800 66242
E-mail senden

 

18.04.2024

Allianz completes transaction to sell its 51% stake in Allianz Saudi Fransi to Abu Dhabi National Insurance Company (ADNIC)

mehr dazu

18.04.2024

AllianzGI receives approval to commence wholly foreign-owned public fund management business in Mainland China

mehr dazu

17.04.2024

Welche Rolle spielen die Mitarbeiter der Allianz bei den Olympischen Spielen?

mehr dazu