Das Buch des Lebens 

"Ein Leben ohne Risiken ist eine Verschwendung von Sauerstoff."

Dieses Zitat mag im Internet relativ neu sein, aber die Versicherungsbranche hat es schon immer beherzigt – indem sie Menschen, ihr Leben und ihre Gliedmaßen versichert, die Sauerstoff sinnvoll verbrauchen.

Mit langer Erfahrung im Risikomanagement erkennen Versicherer oft zukünftige Risiken, die die meisten Menschen nicht kommen sehen. Aber so wie Flugreisende ihre eigene Sauerstoffmaske aufsetzen müssen, bevor sie anderen helfen, müssen Versicherer ihre Finanzkraft im Sinne ihrer Kunden schützen, bevor sie die Gesellschaft schützen.

Und manchmal bedeutet dies, die Vergangenheit loszulassen und sich auf die Zukunft vorzubereiten...

Die Zukunft der Lebensversicherung

Was bringt die unmittelbare Zukunft für Lebensversicherer? 

Die gute Nachricht: einfachere, effizientere Produkte, die den aktuellen und künftigen Bedürfnissen der Kunden entsprechen. Die schlechte Nachricht: Anlaufschwierigkeiten, um Kapital für die Entwicklung und Innovation solcher Produkte freizusetzen.

In naher Zukunft müssen Versicherer die Kapitalanforderungen von Solvency II erfüllen, ohne ihre Verpflichtungen gegenüber Anlegern und Kunden zu vernachlässigen.

Solvency II ist eine Richtlinie zur Kodifizierung und Harmonisierung der Versicherungsvorschriften in der Europäischen Union. Sie ändert die Methode zur Berechnung des Kapitals, das die europäischen Versicherer vorhalten müssen, um das Risiko eines Konkurses zu verringern. 

In Anbetracht der Langfristigkeit mancher Versicherungsprodukte ist das eine plausible Forderung. Ein Versicherer soll seine Kunden ja ein Leben lang schützen. Wie kann man nun bestimmen, wie viel Kapital ausreichend ist? Es gibt keine Einheitsgröße. Der Betrag ist von Versicherer zu Versicherer unterschiedlich und hängt von der Größe des Geschäfts, dem Risikoprofil der Produkte und dem Umfang der garantierten Erträge ab.

Die Solvenzkapitalanforderung (SCR) ist der Begriff für das Mindestkapital, das ein Versicherer oder Rückversicherer benötigt, um eine Vielzahl von Risiken zu decken.

Oder einfacher ausgedrückt – die Versicherer und Rückversicherer werden aufgefordert, den maximalen Verlust zu ermitteln, den Risiken in einem bestimmten Portfolio mit einer gewissen Sicherheit auslösen können.

Die Kenngröße beantwortet also die Frage: Was ist das Schlimmste, was einem Portfolio über einen Zeitraum von einem Jahr passieren kann, wenn man die Risiken berücksichtigt, die es birgt? 

Wo ist der Haken?

In Anlehnung an die berühmte Botschaft von GI Joe an Kinder in den 1980er Jahren: Wissen ist die halbe Miete, nicht wahr? Stimmt.

Von den Risikogruppen, denen Versicherer ausgesetzt sind – versicherungstechnischem Risiko, Marktrisiko, Kreditrisiko und operationellem Risiko – sind Lebensversicherer besonders anfällig für Markt- und Kreditrisiken.

Das Marktrisiko ist die Auswirkung von Bewegungen finanzieller Variablen wie Aktienkurse, Zinssätze, Immobilienpreise und Wechselkurse. Für Lebensversicherer ist dieses Risiko die größte Komponente der grundlegenden SCR und macht oft mehr als zwei Drittel der Kapitalanforderung aus.

Das Kreditrisiko beschreibt die Möglichkeit, dass ein Kreditnehmer nicht in der Lage ist, einen Kredit zurückzuzahlen oder seinen Verpflichtungen nachzukommen. Je länger die Laufzeit der Schulden ist, desto höher fällt das das Kreditrisiko aus.  

The back book of life

Wäre der Versicherungskunde eine Eintagsfliege, dann würde das Kreditrisiko nur 24 Stunden betragen, und nur wenige Kreditnehmer würden so schnell bankrottgehen. Nun leben die Menschen jedoch im Durchschnitt mehr als 70 Jahre lang.

Da Lebensversicherungen das gesamte Leben eines Kunden abdecken, sind solche Portfolios stark auf langfristige und relativ sichere Anlagen wie Anleihen ausgerichtet, bei denen es sich um zinsbringende Schuldscheine handelt. Der Zinssatz für solche Instrumente richtet sich nach den Marktbedingungen. Wenn die Marktzinsen gegen Null tendieren, wird es schwierig, gesunde Renditen für die Kunden zu erzielen.

Das Problem verschärft sich bei Lebensversicherungsprodukten, die einen bestimmten Zinssatz garantieren, wie z.B. bei einigen älteren Produkten aus der Zeit, als die Referenzzinssätze noch hoch waren. Obwohl die Zinssätze seitdem drastisch gesunken sind, müssen die Versicherer alte Versprechen einhalten, auch wenn dies zu ihrem eigenen Nachteil ist.

Um sicherzustellen, dass sie in der Lage sind, diese Verpflichtungen zu erfüllen, müssen sie gemäß den neuesten Richtlinien zur Solvenzkapitalanforderung mehr Kapital für solche garantierten Produkte binden.

Und genau hier liegt der Haken. 

Ist es wirtschaftlich sinnvoll, Kapital in Produkten zu binden, die nicht mehr rentabel sind und noch nicht einmal mehr angeboten werden? Wahrscheinlich haben Sie es schon vermutet, nein.

Die Wahrheit ist, dass nachhaltiges Wachstum und Innovation Kapitalinvestitionen voraussetzen.

Laut einer Umfrage von PwC aus dem Jahr 2018 ist das aufgeschobene Rentengeschäft der Bereich, der den europäischen Versicherern angesichts der jüngsten Entwicklungen am meisten Sorgen bereitet. „Die Kombination aus hohen garantierten Rentensätzen und einer steigenden Lebenserwartung mit dem Niedrigzinsumfeld und einem Mangel an sehr langfristigen Vermögenswerten macht diese Produkte extrem komplex im Management”, heißt es in dem Bericht mit dem Titel "European Life Insurance Back Book Management 2017".

In Deutschland beispielsweise enthalten Altversicherungsportfolios Produkte mit Garantien, die manchmal sogar bis zu 4 Prozent jährlich betragen, so der Bericht.

Ein Blick in den Geschäftsbericht 2020 der Allianz zeigt, dass der durchschnittliche Mindestgarantiesatz dieser Produkte in Belgien bei 1,9 Prozent, in Deutschland bei 1,8 Prozent, in der Schweiz bei 1,5 Prozent und in Italien bei 1,3 Prozent liegt. 

Life without Risks

Wenn man bedenkt, dass auf Bankkonten geparktes Geld mit null Prozent verzinst wird, ist das in Anbetracht der Beträge, um die es geht, eine ganze Menge.

Oft sind die Anlagepapiere mit der längsten Laufzeit nicht so lang wie eine Lebensdauer. Das bedeutet, dass die Versicherer Instrumente, die währenddessen fällig werden, neu anlegen müssen. Wenn die Zinssätze sinken, sinken die Renditen aus diesen Reinvestitionen, so dass die Versicherer den Fehlbetrag decken und die Verluste auffangen müssen. Das ist kaum tragbar.

Außerdem laufen viele dieser Produkte auf ineffizienten alten IT-Systemen. Wenn solche Produkte eingestellt werden, steigen die Fixkosten pro Versicherungsvertrag mit der Zeit an, da der Bestand an Prämien und die Anzahl der Verträge schrumpft.

Kapitalgewinn

Wie können Versicherer also ihr Kapital effizient nutzen und gleichzeitig die neuen regulatorischen Anforderungen erfüllen?

In einem Bericht stellt das Beratungsunternehmen McKinsey mehrere Optionen vor, die sich in drei große Kategorien einteilen lassen – transaktionale Hebel wie die teilweise oder vollständige Veräußerung von Produkten und Geschäftsbereichen, die nicht mehr weitergeführt werden, strukturelle Hebel wie die Anpassung des Produktmixes und operative Hebel wie die Zusammenarbeit mit Spezialisten zur Verwaltung dieser Altbestände oder Life Back Books.

Die beste Strategie besteht darin, je nach Art des Geschäfts eine Mischung aus verschiedenen Optionen anzuwenden.

In einigen Fällen ist die Übergabe der Back Books an einen Spezialisten die sinnvollste Option. So hat beispielsweise die Allianz im April einen Teil ihres geschlossenen Lebensversicherungsportfolios in Belgien an Monument Assurance Belgium (MAB) verkauft.

Solche Spezialisten, die in Finanzkreisen als Konsolidierer bezeichnet werden, bringen laut einem Bericht von Fitch Ratings drei Kernkompetenzen mit – effiziente Modelle zur Verwaltung von Versicherungsverträgen, starke Fähigkeiten bei festverzinslichen Anlagen und integriertes Kapitalmanagement.

Was die strukturellen und operativen Hebel angeht, hat die Allianz mehrere Initiativen ergriffen. Dazu gehören alternative Asset-Management-Ansätze wie Investitionen in Gewerbeimmobilien und Infrastruktur sowie Partnerschaften mit Spezialisten für die Vertragsverwaltung unter Beibehaltung der primären Kundenbeziehung.

Zwischen 2015 und 2020 hat sich der Anteil kapitaleffizienter Produkte am Gesamtportfolio der Allianz von 25 Prozent auf 41 Prozent erhöht.  

Neue Bedürfnisse Erfüllen

Wenn mehr Kapital zur Verfügung steht, können die Versicherer in das Geschäftswachstum investieren und neue Produkte auf den Markt bringen, die den gegenwärtigen Bedürfnissen stärker gerecht werden.

Während garantierte Produkte den Kunden in schwierigen Zeiten einen Puffer bieten, begrenzen sie auch ihre Rendite, wenn die Märkte im Aufwind sind. 

Die Versicherer sind sich dieser Möglichkeiten bewusst und entwickeln fondsgebundene oder hybride Lebensversicherungsprodukte, die es den Kunden ermöglichen, in vollem Umfang am Wirtschaftsprozess teilzunehmen.

Die steigende Nachfrage nach solchen innovativen Produkten bei der Allianz zeigt, dass sich die Kunden der Vorteile bewusst sind, mit der Zeit zu gehen.

Großartige Innovationen können nur entstehen, wenn der Wandel als Chance und nicht als Bedrohung gesehen wird.

Die Allianz Gruppe zählt zu den weltweit führenden Versicherern und Asset Managern und betreut rund 125 Millionen* Privat- und Unternehmenskunden in knapp 70 Ländern. Versicherungskunden der Allianz nutzen ein breites Angebot von der Sach-, Lebens- und Krankenversicherung über Assistance-Dienstleistungen und Kreditversicherung bis hin zur Industrieversicherung. Die Allianz ist einer der weltweit größten Investoren und betreut im Auftrag ihrer Versicherungskunden ein Investmentportfolio von etwa 737 Milliarden Euro**. Zudem verwalten unsere Asset Manager PIMCO und Allianz Global Investors etwa 1,7 Billionen Euro** für Dritte. Mit unserer systematischen Integration von ökologischen und sozialen Kriterien in unsere Geschäftsprozesse und Investitionsentscheidungen sind wir unter den führenden Versicherern im Dow Jones Sustainability Index. 2023 erwirtschafteten über 157.000 Mitarbeiter für den Konzern einen Umsatz von 161,7 Milliarden Euro und erzielten ein operatives Ergebnis von 14,7 Milliarden Euro.
* Einschließlich nicht konsolidierter Einheiten mit Allianz Kunden.
** Stand: 31. Dezember 2023

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Diese Aussagen stehen, wie immer, unter unserem Vorbehalt bei Zukunftsaussagen:

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„Entscheidend ist die tatsächliche Gesamtverzinsung“
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