Stromausfälle - eine immer größere Herausforderung

Michael Bruch: Ein Grund liegt in den mangelnden Anreizen, in eine stabile Infrastruktur für die Stromversorgung zu investieren. Als Folge davon wird die Netzstabilität beträchtlich abnehmen. Wir arbeiten noch immer mit einem Stromnetz, das im vergangenen Jahrhundert zu dem Zweck entworfen wurde, Strom von zentralen Elektrizitätswerken zu den Kunden zu leiten.

Heute muss das Stromnetz mit neuen Herausforderungen fertig werden. Erneuerbare Energien wie Solar- und Windkraft haben eine zunehmend negative Wirkung, weil ihre Verfügbarkeit erheblich schwankt. Da zudem immer mehr Stromnetze miteinander verbunden sind, kann ein Stromausfall in einer bestimmten Region einen Dominoeffekt auslösen. Eine alternde Infrastruktur lässt diese Situation noch bedenklicher werden.

Michael Bruch, Allianz Risk Consulting

Michael Bruch: Blackouts können etliche Ursachen haben, die oft in Kombination auftreten. Am häufigsten ist ein Anstieg des Stromverbrauchs, etwa wenn die Klimaanlagen aufgrund von Hitzewellen hochgefahren werden. Dann kommt es, bedingt durch die bereits erwähnte alternde Infrastruktur, zu Übertragungsstörungen.

Und wir wissen alle, in welcher Weise Ereignisse wie Überschwemmungen oder Erdbeben zu Ausfällen auf der Erzeugerseite führen können. Manche Ausfälle gehen auch auf menschliche Ursachen wie Konstruktions- oder Bedienungsfehler zurück. Selbst Sonnenstürme, die beispielsweise Transformatoren zerstören, sind als Ursachen für Schwankungen in den Stromnetzen und der elektronischen Infrastruktur ausgemacht worden.

Das Risiko längerer und umfassenderer Stromausfälle könnte künftig steigen und Privathaushalte ebenso wie Unternehmen massiv beeinträchtigen

Markus Aichinger: Lang andauernde Stromausfälle würden eine beträchtliche Auswirkung auf unser Alltagsleben und die gesamte Wirtschaft haben. Stellen Sie sich das nur einmal vor: Die zentrale Infrastruktur zum Beispiel in den Bereichen Kommunikation und Transport wäre betroffen, die Heizung und die Wasserversorgung würden außer Betrieb gesetzt, die Produktion und der Handel kämen zum Erliegen.

Sie könnten noch nicht einmal Notrufnummern anwählen, und die Krankenhäuser könnten nur so lange arbeiten, wie ihnen Treibstoff für den Notstromgenerator zur Verfügung stünde. Die Geldautomaten würden einfach ihre Funktion einstellen, und die Geschäfte würden schließen. Der Finanzhandel in größerem Stil würde ebenfalls vollkommen zusammenbrechen. Auch die Versicherungen wären durch solch ein Szenario zwar hart getroffen, den weitaus größeren Effekt erwarten wir aber auf der Seite der Märkte und des Zivilschutzes.

Markus Aichinger, Allianz SE Group Risk

Michael Bruch: Selbst kürzere Stromausfälle sind für die Unternehmen mit hohen wirtschaftlichen Verlusten verbunden. Ein Blackout im Finanzhandel könnte Verluste von rund 6 Millionen Euro pro Stunde verursachen, und im Telekommunikationsbereich wären es 30.000 Euro pro Minute. Um die Verluste zu mindern, sollten sich die Unternehmen besser vorbereiten, indem sie vor allem ihre Bereitschaft für Stromausfälle, ihre eigenen Schwachstellen und die ihrer zentralen Versorger bewerten. Die entsprechenden Szenarien sollten im Rahmen eines fachgerecht gepflegten Business-Continuity-Plans überprüft und getestet werden.

Michael Bruch: Die Versicherungsbranche bietet bisher nur einen Versicherungsschutz für den Fall eines physischen Schadens an Anlagen, der zu einer Betriebsunterbrechung führt, also nur in rund 20 bis 25 Prozent aller Fälle. Aber Blackouts können typischerweise zu Unterbrechungen der Betriebsabläufe und in der Lieferkette führen, ohne dass ein physischer Schaden entstanden ist. Dies erfordert neue Lösungen für eine Risikoübertragung. Die Versicherung einer Betriebsunterbrechung ohne vorausgegangenen physischen Schaden ist für die meisten Versicherer ein unbekanntes Terrain.

Aber die Spezialisten der Allianz für Unternehmensversicherungen entwickeln als Antwort auf diese neuen Risiken hochgradig maßgeschneiderte Lösungen zur Unterstützung multinationaler Kunden.

Markus Aichinger: Die Regierungen müssen einen klaren Rahmenplan für die Verwaltung der Stromversorgungsinfrastruktur. Dies ist ein notwendiger Schritt, um die Widerstandsfähigkeit der Stromnetze gegen Stromausfälle zu erhöhen. Aber es sind die öffentlichen und privaten Energieversorger, die eine zuverlässige Stromversorgung gewährleisten müssen. Betriebliches Risikomanagement und ein solider Business-Continuity-Plan können helfen, das Risiko einzudämmen. Die wirkliche Botschaft lautet: Seid vorbereitet!

 
Diese Aussagen stehen, wie immer, unter unserem Vorbehalt bei Zukunftsaussagen, der Ihnen hier zur Verfügung gestellt wird.
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