Das Klima ändert sich. Warum nicht auch die Staatsfonds?

von Dr. Günther Thallinger

Der amerikanische Humorist Mark Twain sagte einmal: "Jeder redet über das Wetter, aber niemand tut etwas dagegen." Er hatte Unrecht. Schon als er diese Worte aussprach, war die Menschheit seit langem damit beschäftigt, die Atmosphäre mit Treibhausgasen vollzupumpen.

Heute ist unsere Atmosphäre dichter mit Kohlendioxid gefüllt als zu jedem anderen Zeitpunkt in den letzten 4 Millionen Jahren. Kohlendioxid wird durch menschliche Aktivitäten freigesetzt , und wir sehen, dass sich der Klimawandel von einem abstrakten Thema zu einer existenziellen Krise entwickelt.

Der jüngste Bericht des “Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen“ (Intergovernmental Panel on Climate Change) macht deutlich, dass die diesjährige Häufung extremer Wetterereignisse auf den Anstieg der Durchschnittstemperaturen zurückzuführen ist. Jeder Bruchteil eines Grades Erwärmung wird zu stärkeren Niederschlägen, einem höheren Anstieg des Meeresspiegels und intensiveren Dürren und Waldbränden führen.

Der Bericht macht auch deutlich, dass einschneidende Maßnahmen ergriffen werden müssen. Die Finanzinstitute müssen hierzu beitragen und die Entwicklung von Lösungsprogrammen und deren Umsetzung unterstützen. Vor diesem Hintergrund hat eine Gruppe großer Vermögenseigentümer (Asset Owner) die von der UN einberufene Net-Zero Asset Owner Alliance gegründet.

Dieses Bündnis hat sich nicht nur der Netto-Null-Zielsetzung, sondern auch der Reduzierung der Treibhausgasemissionen bis 2025 verschrieben und arbeitet aktiv an Branchelösungen und an der Definition von Transformationsplänen zusammen mit verschiedenen Unternehmen. Staatsfonds (SWF) sind in diesem Bündnis jedoch immer noch die Ausnahme, und insgesamt haben sich nur sehr wenige von ihnen Netto-Null-Ziele gesetzt. Die Welt hat also noch nicht die Stärke ihrer wichtigsten Finanzressourcen genutzt. Die über 90 Staatsfonds in der Welt verwalten ein Vermögen von mehr als 9,7 Billionen Dollar. Ihr Einfluss ist beträchtlich.

Günther Thallinger
Dr. Günther Thallinger
Mitglied des Vorstands der Allianz SE, Investment Management, ESG

SWF-Emissionen zu ignorieren steht den COP26 Plänen entgegen

Netto-Null-Initiativen werden im Bankwesen, in der Anlageverwaltung und bei institutionellen Anlegern ins Leben gerufen, die jeweils 37 Billionen, 43 Billionen und 6,6 Billionen Dollar an verwalteten Vermögenswerten (AUM) repräsentieren. Bei den Staatsfonds gibt es jedoch keine vergleichbare Initiative.

Die Treibhausgase werden derzeit auf Länderebene im Rahmen der nationalen Verpflichtungen zur Emissionsreduzierung gemessen . Dieser Ansatz unterschätzt jedoch den Einfluss, den Länder über Staatsfonds mit umfangreichen ausländischen Vermögenswerten auf das Klima haben, erheblich.

Der größte Staatsfonds der Welt, der Government Pension Fund of Norway (auch bekannt als Norwegian Oil Fund), verfügt beispielsweise über ein Vermögen von 1,3 Billionen Dollar - das Dreifache der norwegischen Wirtschaft. Sein Aktienportfolio verteilt sich auf 73 Länder und 49 Währungen und umfasst Beteiligungen an über 9.000 Unternehmen. Insgesamt beläuft sich der CO2-Fußabdruck auf 107,6 Mio. Tonnen, was dem Doppelten der jährlichen Gesamtemissionen Norwegens entspricht.

Trotzdem hat der Norwegian Oil Fund keine spezifischen Emissionsreduktionsziele oder eine klimaangepasste Aktienbenchmark festgelegt. Der Fonds hat sich zwar von 170 Unternehmen getrennt, die hohe Treibhausgasemissionen aufweisen oder zur Abholzung von Wäldern beitragen, aber diese Ausschlüsse erfolgten aufgrund des Klimarisikos für den Portfoliowert und nicht als Teil einer Strategie zur Verbesserung des Klimas.

Norwegen ist bei weitem nicht allein. Staatsfonds sind oft im Besitz von Regierungen mit ehrgeizigen Klimazielen. Allerdings geben nur acht der 34 Staatsfonds, die auf eine kürzlich durchgeführte Umfrage des Internationalen Forums der Staatsfonds geantwortet haben, an, mehr als 10 % ihrer Bestände in klimabezogenen Strategien zu halten, während nur 14 % der Staatsfonds Desinvestitionsentscheidungen im Zusammenhang mit Klima- oder Umweltzielen getroffen haben. Darüber hinaus haben nur 12 % eine explizite Politik zum Klimawandel.

Es ist unaufrichtig, wenn Regierungen, die sich im Inland zu Klimazielen verpflichten, vorgeben, dass Emissionen, die mit Auslandsinvestitionen von Staatsfonds verbunden sind, von der allumfassenden Bedrohung, mit der wir konfrontiert sind, irgendwie getrennt sind. Die Regierungen sollten stattdessen das finanzielle Gewicht der Staatsfonds nutzen, um internationale Klimaschutzmaßnahmen voranzutreiben. 

Die bevorstehende UN-Klimakonferenz in Glasgow (COP26) im November ist eine Gelegenheit für die Regierungen, sich zu verpflichten, Staatsfonds als Teil ihrer Beiträge zur Emissionsreduzierung zu nutzen. Dabei sollten die Regierungen ihre Klimaziele konsequent verfolgen und sicherstellen, dass die Investitionen ihrer Staatsfonds im Einklang mit den nationalen Zielen stehen.

Staatsfonds müssen grün werden

Es gibt zwingende Gründe, warum sie dies tun sollten: Erstens können wir es uns nicht länger leisten, dass Staatsfonds bei der Bekämpfung des Klimawandels im Abseits stehen. Netto-Null-Ziele für das Jahr 2050 werden für alle großen institutionellen Anleger zu einer gängigen Erwartung. Auch die Regierungen sollten ihre Fonds so gestalten, dass sie die Emissionsreduzierung nachdrücklich unterstützen.

Zweitens ist es sowohl finanziell als auch ethisch sinnvoll. Der Norwegian Oil Fund hatte Ende 2020 23,3 Mrd. USD in fossile Brennstoffe investiert, so Global SWF in seinem Newsletter vom Juni. Nach den Berechnungen des Forschungsunternehmens haben diese Investitionen in den am 31. Dezember endenden Ein-, Zwei- und Dreijahreszeiträumen 23 %, 10 % und 11 % verloren. Im Vergleich dazu legten die grünen Anlagen im Portfolio in denselben Zeiträumen um 92 %, 257 % und 316 % zu.

Es gibt keinen Grund für den norwegischen Ölfonds, "sich nicht von seinem (immer noch sehr bedeutenden) Portfolio an Aktien fossiler Brennstoffe zu trennen und die Erlöse zu nutzen, um mehr in börsennotierte und private Unternehmen zu investieren, die sich mit erneuerbaren Energien beschäftigen", folgert Global SWF.

Darüber hinaus können Regierungen in der Regel nur die Entwicklung ihrer nationalen Wirtschaft lenken, haben aber auf internationaler Ebene nur wenig Einfluss auf Klimaschädlinge. Angesichts der Reichweite und des Einflusses von Staatsfonds könnten die Regierungen Druck auf Unternehmen und Länder ausüben, die sich ihrer Klimaverantwortung entziehen. Der norwegische Ölfonds beispielsweise besitzt 1,4 % der weltweiten Aktien und Anteile und bietet damit einen starken Hebel für Klimaschutzmaßnahmen.

Rettung der Zukunft

Es wird erwartet, dass der Sieg der norwegischen Arbeiterpartei bei den Wahlen im September, bei denen die Abhängigkeit des Landes von fossilen Brennstoffen im Mittelpunkt stand, den Weg zu einer strengeren Umweltpolitik weisen wird. Ein Teil davon wird wahrscheinlich darin bestehen, dass der norwegische Ölfonds darauf besteht, dass alle Unternehmen in seinem Portfolio klare Ziele für die Senkung der CO2-Emissionen haben. Ich würde eine solche Initiative begrüßen und hoffe, dass sie andere Staatsfonds zu ähnlichen Schritten ermutigt.

Mehr noch als die meisten anderen Investoren sind Staatsfonds in einer einzigartigen Position, um langfristige Investitionen zu tätigen. Die Umstellung der Weltwirtschaft von "braun" auf "grün" erfordert Veränderungen in der Größenordnung einer weiteren industriellen Revolution. Staatsfonds verfügen über das finanzielle Gewicht und den Investitionshorizont, um den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft voranzutreiben, und können durch die Schaffung neuer Märkte oder den frühzeitigen Einstieg in diese Märkte enorme Renditen erwirtschaften.

Länder wie Norwegen, Abu Dhabi, Frankreich, Irland, Neuseeland und Singapur könnten auf der COP26 eine globale SWF-Bewegung in Richtung Netto-Null-Verpflichtungen anführen. Wenn sie dies tun, könnten andere Fonds mit großen Investmentteams bald folgen. Diejenigen, die über weniger Ressourcen verfügen, werden ihnen hoffentlich dicht auf den Fersen sein.

Die meisten Staatsfonds wurden als Sparvehikel für künftige Generationen eingerichtet. Ihre Investitionen sollten einen Beitrag zum Erhalt des Klimas leisten, in dem diese Generationen leben werden. Wenn sie nicht Teil der Lösung sind, werden diese Generationen nicht nur Grund haben, sich über das Wetter zu beschweren, sondern es zunehmend fürchten.

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Die Allianz Gruppe zählt zu den weltweit führenden Versicherern und Asset Managern und betreut rund 125 Millionen* Privat- und Unternehmenskunden in knapp 70 Ländern. Versicherungskunden der Allianz nutzen ein breites Angebot von der Sach-, Lebens- und Krankenversicherung über Assistance-Dienstleistungen und Kreditversicherung bis hin zur Industrieversicherung. Die Allianz ist einer der weltweit größten Investoren und betreut im Auftrag ihrer Versicherungskunden ein Investmentportfolio von etwa 737 Milliarden Euro**. Zudem verwalten unsere Asset Manager PIMCO und Allianz Global Investors etwa 1,7 Billionen Euro** für Dritte. Mit unserer systematischen Integration von ökologischen und sozialen Kriterien in unsere Geschäftsprozesse und Investitionsentscheidungen sind wir unter den führenden Versicherern im Dow Jones Sustainability Index. 2023 erwirtschafteten über 157.000 Mitarbeiter für den Konzern einen Umsatz von 161,7 Milliarden Euro und erzielten ein operatives Ergebnis von 14,7 Milliarden Euro.
* Einschließlich nicht konsolidierter Einheiten mit Allianz Kunden.
** Stand: 31. Dezember 2023

Pressekontakt

Christiane Hach
Allianz SE
Diese Aussagen stehen, wie immer, unter unserem Vorbehalt bei Zukunftsaussagen:

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COP 28: EIB and AllianzGI announce new capital commitments to the Emerging Market Climate Action Fund (EMCAF)

New capital commitments from the United Kingdom and German governments. / The fund invests in green transition funds and projects in emerging and developing markets worldwide. / Launched at COP26, EMCAF has already invested more than $100 million in five funds over two years. / EMCAF on track to hold its third close at €385 million in the coming weeks. (Article links to external site)

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