Im Land der drei Geschlechter: Männer, Frauen, Mütter

Deutschland beklagt eine der niedrigsten Geburtenraten der Welt. Warum das so ist, das hat Wiebke Rösler von der Humboldt Universität in Berlin untersucht. Dabei hat die junge Forscherin eine erstaunliche Entdeckung gemacht.

 

20. Juni 2060: Während sich die Geburtenraten in vielen west- und nordeuropäischen Ländern wieder der magischen Marke von 2,0 Kindern pro Frau nähern, dümpelt die Kinderstatistik in Deutschland weiter unter dem gesellschaftlichen Selbsterhaltungsminimum. Zurück im hier und jetzt fragen wir uns warum das so ist. Wiebke Rösler von der Humboldt Uni in Berlin hat darauf einige klare Antworten gefunden. Für ihre Dissertation zum Thema „Strukturwandel und Fertilität. Wie die höhere Berufsbildung der Frau die Geburtenrate beeinflusst“ wurde die 35-jährige Sozialwissenschaftlerin mit dem Allianz Nachwuchspreis für Demografie ausgezeichnet. Die Deutschen sollen am Rand des Aussterbens stehen? Im Vorfeld zum Berliner Demografie Forum (vom 9. bis 11. April 2014), bei dem sich Wissenschaftler, Politiker und renommierte Vertreter der Gesellschaft mit der Frage beschäftigen, was die Generationen angesichts des steigenden Anteils älterer Menschen zusammenhält, räumt sie auf mit diesen Szenarien.

 

Sterben die Menschen aus, weil sie zu gut gebildet sind?

 

Die Menschheit stirbt auf keinen Fall aus, wenn Sie sich die Entwicklung der Weltbevölkerung angucken. Die Prognosen vom Aussterben der Deutschen haben sich bisher auch nicht bewahrheitet. Deutschland ist nach wie vor ein sehr attraktives Land für Zuwanderer, so dass wir nicht befürchten brauchen, dass Deutschland sich entsiedelt.

 

Bildung führt lediglich dazu, dass Frauen einerseits nicht schon mit Anfang oder Mitte 20 Kinder bekommen, sondern sich ihrer Karriere widmen und sich damit auch mit dem Kinderkriegen mehr Zeit lassen. Bildung schließt Nachwuchs nicht aus.

 

Welche Rahmenbedingungen bietet Frankreich, auf die Frauen mit hoher Bildung in Deutschland immer noch warten müssen?

 

Lange hat Deutschland pro Kopf weniger in Infrastruktur investiert als andere Länder. Wir haben keine Ganztagsschulen gebaut. Unsere Kinder gehen nicht, wie in Frankreich, Schweden oder Finnland üblich, in Kindergärten oder Vorschulen mit ganztägiger Betreuung. In Deutschland endet die Schule am frühen Nachmittag. Das ist für viele berufstätige Frauen ein Problem. Und leider muss man sagen, es ist ein deutsches Problem. Unsere Arbeitskultur zielt nicht auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Stattdessen herrschen immer noch konservative Vorstellungen von Geschlechterrollen. In Deutschland gibt es drei Geschlechter: Männer, Frauen und Mütter. Während Männer und Frauen schon weitgehend gleiche Rechte und Chancen haben, hängt Müttern immer noch ein altes Rollenbild an. Das ist in Frankreich anders. Dort herrscht nicht die Vorstellung, dass Kinder leiden, wenn sie den ganzen Tag von der Mutter getrennt sind.

 

Nehmen wir an, Deutschland schließt die Betreuungslücken, kriegen die Frauen dann wirklich wieder mehr Kinder? Ist das so einfach?

 

Noch ist es so, dass Frauen mit höherer Bildung sich heute kaum anders verhalten als früher. Da es aber heute mehr gut ausgebildete Frauen gibt als Hausfrauen, ist die Geburtenrate rückläufig. Einzig die Gruppe der Frauen in Teilzeit ist deutlich gewachsen und bekommt auch etwas mehr Kinder – vielleicht war das schon ein familienpolitischer Erfolg. Hinzu kommen aber Berufe wie beispielsweise in der Medienbranche – die heute unter Frauen deutlich häufiger verbreitet sind – mit extrem niedrigen Kinderzahlen. Dass sich das aber auch wieder ändern kann, trotz höherer Bildung der Frauen, zeigt sich in anderen Ländern, wie in Frankreich, wo Frauen in Vollzeit mehr Kinder haben als in Deutschland.

Wiebke Rösler, Gewinner des Allianz Nachwuchspreises für Demografie.
Wiebke Rösler ist einer der fünf Gewinner des Allianz Nachwuchspreises für Demografie. Die 35-jährige Berlinerin forscht nicht nur, sie ist auch berufstätige Mutter, gehört also auch zur Zielgruppe ihrer eigenen Forschung. Sie verlangt mehr Flexibilität von den Deutschen, damit Frauen Karriere und Familie besser vereinbaren können: „Niemand würde in Schweden ein wichtiges Meeting nach 16 Uhr ansetzen. In Deutschland wird von den Angestellten in gehobenen Positionen erwartet, dass sie bis 18 oder 20 Uhr in der Arbeit bleiben.“

Diese Aussagen stehen, wie immer, unter unserem Vorbehalt bei Zukunftsaussagen:

 

Petra Brandes
Allianz SE
Tel.: +49.89.3800-18797
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