Interview mit Sibylle Steimen, Allianz Re
"Eine Wettervorhersage für Erdbeben gibt es nicht."
War es vorhersehbar, dass ein solch verheerendes Erdbeben stattfinden würde?
Die Bilder, die uns aus der Türkei und Syrien erreichen, sind zutiefst erschütternd, und unser Mitgefühl gilt allen Opfern und betroffenen Menschen. Wenn Sie fragen, ob es eine Art Vorhersage oder Warnung gab, lautet die Antwort: Nein. Für Erdbeben gibt es keine Wettervorhersage, anders als für schwere Stürme oder Überschwemmungen. Das, was einer "Vorhersage" für Erdbeben im weitesten Sinne des Wortes am nächsten kommt, ist eine Aussage über die Wahrscheinlichkeit eines Erdbebens einer bestimmten Stärke in den nächsten Jahrzehnten. Wir können zum Beispiel für ein bestimmtes Gebiet sagen, dass in den nächsten 30 Jahren mit einer Wahrscheinlichkeit von x Prozent ein Erdbeben der Stärke y oder mehr auftreten wird. Erdbeben sind leider nichts, wofür man Alarm schlagen kann.
Sibylle Steimen
Was wir jedoch mit Sicherheit sagen können, ist, dass die betroffene Region als erdbebengefährdet bekannt ist und die Gebäude in diesem Gebiet daher bestimmte Bauvorschriften einhalten müssen. Die Türkei hat eine der modernsten Bauvorschriften der Welt, aber nicht alle Gebäude entsprechen diesen Vorschriften, zum Beispiel weil sie vor der Einführung der neuen Vorschriften gebaut wurden. Es bleibt abzuwarten, inwieweit sich dies in der Region auswirkte.
Warum ist die Region so gefährdet?
Die Oberfläche unseres Planeten besteht aus vielen verschiedenen tektonischen Platten. In dieser speziellen Region treffen insgesamt drei verschiedene Platten aufeinander: die eurasische, die afrikanische und die anatolische Platte. Diese Platten bewegen sich mit einer sehr langsamen Geschwindigkeit, und wo sie zusammenstoßen, besteht die Gefahr von Erdbeben, die an manchen Orten höher ist als an anderen. Dieses besondere Gebiet ist bekanntermaßen erdbebengefährdet, aber in den letzten Jahrzehnten war es relativ ruhig; seit 1970 gab es nur drei Erdbeben mit einer Stärke von mehr als 6 auf der Richterskala. (Anm. der Red.: Jetzt hatten wir es mit einem Erdbeben der Stärke 7,7 bis 7,8 zu tun.)
Welche Lehren können daraus gezogen werden?
Es ist noch zu früh für Schlussfolgerungen aus dieser Katastrophe, aber mein Team und ich führen bereits eine Diskussion, welche Lehren wir daraus ziehen können. Lernen bedeutet in diesem Fall, dass wir besser verstehen müssen, welche Gebäude unter den sehr starken Erdbewegungen einstürzen oder stark beschädigt werden und welche Gebäude strukturell intakt bleiben. Wenn wir hier unser Verstehen verfeinern, können wir lernen, wie wir die Risiken nicht nur in der Türkei, sondern auch in den Nachbarländern besser einschätzen und modellieren.
Pressekontakt
Elizabeth Goetze
Allianz SE Reinsurance
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* Einschließlich nicht konsolidierter Einheiten mit Allianz Kunden.
** Stand: 30. Juni 2024
** Stand: 30. Juni 2024