Vorsicht Lücke!

 Im Mai hat Frankreich seine Zukunft Emmanuel Macron anvertraut. Die Geschicke des Landes liegen damit in der Hand eines früheren Investmentbankers im Alter von 39 Jahren, von dem man Reformen erwartet, die Defizite ausgleichen und dem Land zu höherer Wirtschaftskraft verhelfen. Diesen Monat stehen nun die französischen Parlamentswahlen an und alle Augen sind auf Macron gerichtet. Sein Handeln hat Konsequenzen für ganz Europa, denn Frankreich gehört zu den größten Volkswirtschaften des Kontinents.

Doch vermutlich ist die Erwartungshaltung nirgends höher als im eigenen Land, denn die Franzosen glauben, dass Macron – der sowohl als Verwaltungsexperte als auch als Führungskraft Erfahrung hat - vor allem die Bedürfnisse seiner eigenen Landsleute kennt.

Diese Bedürfnisse reichen von mehr Jobs und höheren Einkommen bis hin zu einer Verbesserung des Bildungsangebots, Steuersenkungen und höheren Unternehmensinvestitionen. Ludovic Subran, Franzose und Global Head of Macroeconomic Research bei der Allianz, macht den Realitätscheck ...

Die französische Arbeitslosenquote bewegte sich 2016 um die Zehn-Prozent-Marke, wie aus dem Bericht „Excuse My French (Elections)“ von Allianz und Euler Hermes hervorgeht. Für das laufende Jahr werden 9,7 Prozent prognostiziert, mit einer signifikanten Verbesserung scheint man also nicht zu rechnen. Dass die geschäftliche Insolvenzquote letztes Jahr höher lag als vor der globalen Finanzkrise, stimmt auch nicht unbedingt optimistisch. Im Ergebnis hat darunter die Chancengleichheit zwischen den sogenannten Insiders (mit unbefristeten Arbeitsverträgen) und den Outsiders (den Arbeitslosen) gelitten.

Mit den in den Achtzigern und in der ersten Hälfte der Neunziger geborenen Millennials ist eine besonders ehrgeizige Generation herangewachsen. Angesichts der Herausforderungen des modernen Lebens und der überaus harten Konkurrenz machen sie sich Sorgen um ihre Beschäftigungschancen.

Die richtige Antwort auf diese Herausforderungen ist das Konzept der sogenannten Flexicurity – der richtigen Balance zwischen Flexibilität und Sicherheit auf dem Arbeitsmarkt. Das Element der Flexibilität sollte den Menschen erlauben, ihre Arbeitsplätze leicht wechseln sowie Privatleben und Beruf gut vereinbaren zu können. Gleichzeitig muss ihre Arbeitsplatzsicherheit gewährleistet sein, indem ihnen Weiterbildungsmöglichkeiten geboten werden und sie im Falle eines Jobverlusts angemessene Unterstützung erhalten. 

Frankreich wird diese Gratwanderung gelingen, wenn das Land einerseits die Arbeitskosten durch niedrigere Lohnsteuern und ein anpassungsfähiges Arbeitsrecht senkt und andererseits die Beschäftigungsfähigkeit durch eine Verbesserung der Arbeitsplatzvermittlung und der Weiterbildungsangebote steigert.

Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf – die Wirtschaftsleistung geteilt durch die Bevölkerungszahl, ein Indikator für den Lebensstandard eines Landes - lag in Frankreich letztes Jahr kaum höher als 2007. Im Verlauf der letzten zehn Jahre hat die Kaufkraft jährlich im Durchschnitt um nur 1,6 Prozent zugelegt, vornehmlich aufgrund der beispiellos niedrigen Inflation. In den meisten Haushalten wurde der Gürtel als Vorsichtsmaßnahme enger geschnallt, sodass die Nachfrage stagnierte.

Zunehmender Populismus und die Verschärfung der Ungleichheiten sind Probleme, die nur durch ein verstärkt integratives Wachstum gelöst werden können. Um den Konsum anzukurbeln, ist es unerlässlich, die Verunsicherung unter den Franzosen abzubauen. Werden Lohn- und Einkommenssteuer gesenkt, steigt das verfügbare Einkommen der französischen Mittelschicht und damit auch ihre Bereitschaft, mehr Geld auszugeben.

Frankreich profitiert von einem sehr großzügigen Sozialsystem, dessen Bestand durch mangelndes Vertrauen und unzureichende Finanzmittel in Gefahr gerät. Eine Reform des Rentensystems (zum Beispiel auf der Basis von Rentenpunkten oder freiwilligen Rücklagen könnte dazu beitragen, dass breitere Bevölkerungsschichten verfügbares Einkommen besitzen und Finanzkraft produktiv eingesetzt werden kann.

Sowohl die Nachfrage als auch die Geschäftsbilanzen scheinen derzeit zu schwach auszufallen, um die Investitionssummen der Unternehmen wieder deutlich nach oben treiben zu können. Trotz eines Zuwachses im letzten Jahr bleiben die Investitionen ungefähr auf dem Niveau des Jahres 2007. Die Produktionskapazitäten schrumpfen, was das gesamtwirtschaftliche Wachstumspotenzial schmälert. Das lässt sich unter anderem mit den finanziellen Belastungen erklären: Die Gesamtsteuerlast beläuft sich in Frankreich auf 60 Prozent der Bruttogewinne – der Durchschnitt der Mitgliedsländer der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) liegt bei 40 Prozent.

Da die Gewinnspannen französischer Unternehmen unterhalb des Niveaus von 2007 stagnieren, fehlt es an privatwirtschaftlichen Investitionsmitteln in Höhe von 38 Milliarden EUR – auch wenn sich aus den derzeit geplanten Vorhaben Anzeichen für eine Erholung ableiten lassen. Im Euler Hermes France 2017 Barometer erfahren Sie mehr über das geschäftliche Investitionsklima in Frankreich.

Eine niedrigere und vor allem auch stabilere Steuerlast, für Haushalte ebenso wie für Unternehmen, ist das Gebot der Stunde. Dann fiele es französischen Unternehmen auch leichter, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern und sich neue Exportmöglichkeiten zu erschließen. Zudem ist es an der Zeit, die wichtigsten französischen Wirtschaftsbereiche – den Transport-, Energie- und Finanzsektor, die Landwirtschaft und die Pharmabranche, um nur einige zu nennen – umzugestalten und ihnen so neues Leben einzuhauchen. Zur Steigerung der Produktivität und letztlich auch der Einkommen sollte man dabei auf das vielversprechende unternehmerische Ökosystem setzen.

Zunächst muss Macron jedoch die Herausforderung meistern, sich bei den Parlamentswahlen eine Mehrheit zu sichern. Dann rücken seine Wahlversprechen in den Fokus, und mit ihnen die Frage, wie er sie zu erfüllen gedenkt.

Eine Stärkung Frankreichs, oder zumindest ein entsprechender Versuch, ist jedenfalls in jedermanns Interesse.

Diese Aussagen stehen, wie immer, unter unserem Vorbehalt bei Zukunftsaussagen:

 

Sophie Greiner
Allianz Frankreich
Tel. +33 158 8541 42

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