Medizin 2.0 statt Götter in Weiß

Die digitale Revolution erfasst immer mehr Lebensbereiche. Die Medienwelt wurde bereits vor Jahren aufgemischt, inzwischen hat die Welle der Revolution nicht zuletzt den Finanzsektor erreicht: Der DLDsummer 15 hat gezeigt, dass auch im Gesundheitsbereich eine große Veränderung vor der Tür steht: Der aufgeklärte Patient, der vernetzt sich immer besser und nimmt mit Handy, Armband oder Online-Chat seine Gesundheit selbst in die Hand.

 

Kerstin (32) hat seit ein paar Tagen ein Stechen im Bauch, direkt unter dem Rippenbogen, manchmal auch ein Jucken. Vor ein paar Jahren noch hätte sie das mit dem mütterlichen Hinweis „Wenn es juckt, heilt es“ abgetan. Doch weit gefehlt, die vergangenen zwei Abende hat sie nun im Internet nach ähnlichen Symptomen und möglichen Krankheiten gesucht. Etwas verunsichert – die konsultierten Webforen erzählten ihr etwas von Gelbsucht bis hin zu Pankreatitis und Krebs – beschließt sie dann doch, einen Arzt aufzusuchen.

Nicht immer verwirrt das Internet mit all seinen Inhalten die Patienten. Gerade chronisch Kranke suchen hier Hilfe, alternative Therapien oder einfach Leidgefährten zum Austausch. Das bestätigt Florian Weiß von Jameda.de in einer Podiumsdiskussion auf dem DLDsummer: „Das Patientenverhalten hat sich schon geändert. Viele Patienten kommen bereits mit einer Idee zu ihrer Krankheit und der passenden Therapie zum Arzt.“ Ein regelrechter Trend zeichnet sich an beiden Tagen der Digital Life Design –Veranstaltung (DLD) ab, welche erstmals als DLDsummer im Allianz Auditorium in München stattfand: Der Patient von heute ist aufgeklärt, informiert sich in Webforen, holt sich Tipps von Geheilten, frägt andere nach ihren Erfahrungen mit Medikamenten. Im Gegensatz zu diesem vernetzten Kranken stehen die sogenannten Götter in Weiß, die noch bis vor ein paar Jahren unanfechtbar waren. Heute sollen sie auf Augenhöhe mit ihren Patienten eine Therapie finden. Doch hier fängt Medizin 2.0 erst an.

Ein persönliches Gespräch ist durch nichts zu ersetzen – außer Skype


Gerade in Deutschland gehen Patienten recht häufig zum Arzt. In verschiedenen Studien ist von bis zu 18 Mal jährlich die Rede. Schweden und Amerikaner sehen ihren Mediziner gerade mal drei bis vier Mal pro Jahr. Eine Herausforderung für Praxis und Krankenkassen. Volle Wartezimmer, unzufriedene Patienten sind das Ergebnis. Dabei könnte vieles ohne ein persönliches Erscheinen beim Arzt erledigt werden.

Überhaupt wird sich das Arzt-Patient-Verhältnis grundlegend ändern. In einem der Workshops zum Thema „Digital Health Management“ diskutierten die Experten beim DLDsummer inwiefern der Einzelne mehr Kontrolle über seinen Gesundheitszustand bekommen kann. Ida Luka-Lognoné von Allianz Worlwide Partners (AWP) und Peter Vullinghs von Phillips erklärten dort, wie sie mit ihrer Partnerschaft ein Loch in der Gesundheits-Vorsorge schließen wollen. In einem Pilotprojekt zum Thema Rückenbeschwerden bringt Phillips die Geräte ein, die den Rückenschmerz reduzieren. Zusätzlich bietet AWP in einem 12-wöchigen Programm medizinisches Coaching für den Patienten an. Luka-Logononé: „Unser Coaching und unsere Hilfe wird von unseren Experten maßgeschneidert, wir wollen, dass die Patienten fähig sind, sich um sich selbst zu sorgen und dass sie aktiv Krankheiten verhindern.“
Das bestätigt Florian Weiß von Jameda.de in einer Podiumsdiskussion auf dem DLDsummer: „Das Patientenverhalten hat sich schon geändert. Viele Patienten kommen bereits mit einer Idee zu ihrer Krankheit und der passenden Therapie zum Arzt.“ Copyright: Hubert Burda Media
Das bestätigt Florian Weiß von Jameda.de in einer Podiumsdiskussion auf dem DLDsummer: „Das Patientenverhalten hat sich schon geändert. Viele Patienten kommen bereits mit einer Idee zu ihrer Krankheit und der passenden Therapie zum Arzt.“Copyright: Hubert Burda Media
Der DLDsummer 15 hat gezeigt, dass auch im Gesundheitsbereich eine große Veränderung vor der Tür steht  Copyright: Hubert Burda Media

Der DLDsummer 15 hat gezeigt, dass auch im Gesundheitsbereich eine große Veränderung vor der Tür steht

Copyright: Hubert Burda Media

Doch wenn es nach den DLD-Visionären geht, soll die Entwicklung auch hier nicht Halt machen. Mit „Wearables“, also Armbändchen oder anderen kleinen Geräten, die man am Körper trägt, lässt sich gerade der Gesundheitszustand von chronisch Kranken bestens überwachen. Sinkt oder steigt ein bestimmter Wert im Körper, bekommt der Kranke eine Nachricht, dass es Zeit für sein Asthma-Spray wäre, damit er einen bevorstehenden Anfall verhindert. In besonders schlimmen Fällen wird direkt ein Notarzt verständigt. Viele Technikbegeisterte überwachen schon heute ihren Schlaf oder ihren Waldlauf mit einem derartigen Armbändchen. Diese Entwicklung könnte nicht nur das Leben der Patienten verbessern, sondern auch den Einsatz von Medizin und Medizinern sinnvoller organisieren helfen. Bislang funktionieren die meisten derartigen Funktionen noch über das Handy. Nach Aysegul Ildeniz von Intel muss das nicht so bleiben: „Wir arbeiten eng mit anderen Industrien zusammen um herauszufinden, was wir künftig zusammen entwickeln können. Neue Gadgets sind gesucht!“ Man denke nur an das Jawbone-Armband oder die Apple-Watch.

Der Wissenschaftler als Zuhörer


Wer die Technik nutzt, fühlt sich gerade hin- und hergerissen: Einerseits will er seine Zeit beim Laufen messen und sie auch gleich auf Facebook posten, auf der anderen Seite fragen sich Menschen, ob es gut ist, ihren digitalen Fußabdruck überall zu hinterlassen.
Nach Aysegu Ildeniz von Intel muss das nicht so bleiben: „Wir arbeiten eng mit anderen Industrien zusammen um herauszufinden, was wir künftig zusammen entwickeln können. Neue Gadgets sind gesucht!“ Copyright: Hubert Burda Media
Nach Aysegu Ildeniz von Intel muss das nicht so bleiben: „Wir arbeiten eng mit anderen Industrien zusammen um herauszufinden, was wir künftig zusammen entwickeln können. Neue Gadgets sind gesucht!“Copyright: Hubert Burda Media
Laut Peter Vullinghs haben viele Menschen das Gefühl, dass sie nicht kontrollieren können, was mit ihren Daten im aktuellen Gesundheitssystem passiert: Was machen Doktoren und Krankenhäuser damit? Vullinghs erklärt, dass selbstbewusste Kunden im Gesundheitsbereich immer häufiger werden. Es sieht also ganz so aus, als würden wir in Zukunft eigenständiger auf unsere Gesundheit aufpassen.
 
Bei aller Liebe zur Technik - auch den emotionalen Aspekt lässt der DLD nicht aus den Augen: Verschiedene Sprecher betonten das, was uns nebst Ärzten, Medikamenten und Operationssälen wieder gesund macht: Die emotionale Geborgenheit des Kranken. Mark Lightowler von Novartis Digital erklärte, wie er sich vom nüchternen, wissenschaftsgetriebenen Mediziner zum Zuhörer entwickelt hat, der die Patienten zu Wort kommen lässt und das auch als Teil der Therapie anerkennt.
 
So ist auch Kerstin nach ihrem Arztbesuch wohlgestimmt. Nach einer Untersuchung bei ihrem Hausarzt soll sie ein Medikament nehmen und ihre Ernährung umstellen, ihr Magen ist wohl einfach gereizt. Zeit für eine weitere Internetrecherche: „wie ernähre ich mich richtig bei einem empfindlichen Magen?“ Schließlich will sie die Erfahrungen ihrer Leidensgenossen nicht außer Acht lassen.
Was ist der DLD?

Diese Aussagen stehen, wie immer, unter unserem Vorbehalt bei Zukunftsaussagen:

 

Petra Krüll
Allianz SE
Tel.: +49.89.3800-2628
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