Deutschland unzureichend vor Katastrophen geschützt

Inwieweit der historisch entstandene Katastrophenschutz in Deutschland aktuellen Risiken gewachsen ist, untersucht eine aktuelle Studie der Allianz Deutschland AG in Zusammenarbeit mit der AZT Risk & Technology GmbH. "Wir brauchen einen grundlegenden Bewusstseinswandel im Umgang mit Katastrophen. Wenn uns dieser Schritt gelingt, ist der Weg in eine katastrophenärmere Zukunft frei", erklärt Thomas Pleines, Vorstandsmitglied der Allianz Deutschland AG.

Pleines appelliert: "Damit wir ein solches Ziel auch tatsächlich erreichen, müssen wir verstärkt auf die Eigenverantwortung jedes Einzelnen setzen - nicht nur auf die Einsatzkräfte des Katastrophenschutzes, sondern auch auf die aktive Vorsorge der Bürger, Unternehmen und Kommunen."

Eine ausgeprägte Selbstverantwortung trägt dazu bei, sowohl die Eintrittswahrscheinlichkeit als auch die Schwere von Katastrophen zu mindern. Laut Studie ist die Bevölkerung über Vorsorgemaßnahmen zum richtigen Verhalten im Katastrophenfall aufzuklären. Beispielsweise müssen die Erste-Hilfe-Kenntnisse flächendeckend aufgefrischt, die Vorratshaltung an Lebensmitteln wiederbelebt und eine stärkere Selbst- und Nachbarschaftshilfe angeregt werden.

Die Allianz empfiehlt, auf kommunaler Ebene einen zumindest ehrenamtlichen Beauftragten für Katastrophenschutz zu etablieren. Durch ihn soll der Katastrophenschutz auf kommunaler Ebene sichtbar werden. Seine vorrangige Aufgabe liegt im Wissenstransfer, seine fachliche Expertise muss in Entscheidungen einfließen.

Praktisch anwendbares Wissen ist im Katastrophenfall von unschätzbarem Wert. Das kann schon jungen Menschen gezielt im Schulunterricht vermittelt werden. Die Studie zeigt, dass Letzteres von 89 Prozent der Deutschen befürwortet wird.

Katastrophenschutz in Deutschland - das Risikobewusstsein der  Bevölkerung ist gemäßigt  und wenig differenziert

Die Anfälligkeit moderner Industriegesellschaften für Katastrophen hat sich in den letzten Jahren verstärkt, da die Versorgung von Gesellschaft und Wirtschaft mit lebensnotwendigen Gütern stets intakte Infrastrukturen voraussetzt.

Dies gilt auch für die Arbeit der Rettungskräfte. Eine längere Unterbrechung von Verkehrswegen, Strom-, Gas- und Kommunikations-Netzen kann im Ernstfall dazu führen, dass die Helfer selbst zu Opfern werden und ihr Einsatz infrage steht. Dies gelte, so die Studie, in Notfallplänen von Kommunen und Unternehmen zu berücksichtigen.

Nicht zuletzt fordern die Studienergebnisse, die föderalistische Struktur des Katastrophenschutzes und die daraus resultierenden unterschiedlichen Rettungsdienstgesetze kritisch zu hinterfragen. Die bestehende Organisationsstruktur bietet Vorteile wie Flexibilität im Einsatz oder Wettbewerbsorientierung. Dem stehen Risiken gegenüber in Form von Kommunikationsproblemen und unklaren Zuständigkeiten, die zu einer fehlerhaften oder verzögerten Umsetzung von Hilfeleistungen führen können.

Eine besondere Verantwortung kommt im Katastrophenfall der Einsatzleitung zu. "Wer besonnen handelt, wird eine solche Ausnahmesituation am besten meistern. Gefragt sind Generalisten mit weitreichendem Überblick", betont Gerd Bakeberg, Gesamteinsatzleiter der ICE-Katastrophe von Eschede 1998. Die Studie plädiert dafür, die Organisations- und Führungsstrukturen zu vereinheitlichen und eine zentrale Qualitätssicherung einzuführen. Nicht zuletzt ist die Politik gefordert, einheitliche Gesetze auf Bundes- und Landesebene zu schaffen.

Daneben sind erhebliche Investitionen notwendig. Dies gilt zum einen für die technische Ausstattung der Einsatzkräfte, die ausgebaut und modernisiert werden muss. Zum anderen weist die Studie auf einen notwendigen Ausbau der notärztlichen Versorgung - insbesondere der Operationskapazitäten für den Notfall - hin.

Basis der Studie sind umfangreiche Forschungsprojekte der Allianz. Seit mehr als 75 Jahren geht sie der Frage nach, welche Ursachen bei Groß- oder Größtschaden zum Tragen kommen. Diese Untersuchungen zeigen, dass Katastrophen nicht aus heiterem Himmel und nicht aufgrund singulärer Ursachen auftreten. Vielmehr handelt es sich im Regelfall um ein Systemversagen, bei dem mehrere Ursachen zusammenwirken - seien es Naturgewalten, technische Mängel, kaufmännische Zwänge oder fehlerhafte Organisationsabläufe.

In die gleiche Richtung weisen die Ergebnisse der Katastrophen-Forschungsstelle der Universität Kiel. "Nicht die Natur oder die Technik sind Schuld, wenn es zu einer Katastrophe kommt", so Professor Wolf Dombrowsky. "Im Mittelpunkt steht vielmehr der Mensch, der lernen muss, die Folgen seines Handelns abzuschätzen." Es gelte, die systemischen Zusammenhänge von Katastrophen zu verstehen und aus den Erkenntnissen Konsequenzen zu ziehen. Dementsprechend regt die Studie eine integrierte, interdisziplinäre Erforschung von Katastrophen an.


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